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Robert Peters
Der Ortspunkt Zwolle im ‘Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des Niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete’
Abstract
Der Beitrag stellt den ‘Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete’ (ASnA) vor. Er beschäftigt sich anschließend mit dem Ijsselländischen, einer Schreibsprache mit mittelniederländischen und mittelniederdeutschen Anteilen. Die Frage nach Normierungsprozessen in einer schreibsprachlichen Übergangszone wird am Beispiel der Schreibsprache der Stadt Zwolle erörtert. Nach der Aufstellung einer Variantenkombination werden die Sprachformen unterschiedlichen Schreibsprachlandschaften zugeordnet. Es zeigt sich, dass fast alle Variablen eine städtische Norm herausgebildet haben. Die Schreibsprache Zwolles ist mehr westlich als östlich ausgerichtet, doch bleibt auch im 15. Jh. die besondere Prägung der ijsselländischen Regionalsprache erhalten.
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I. Der ‘Atlas spätmittelalterlicher Schreibsprachen des niederdeutschen Altlandes und angrenzender Gebiete’ (ASnA)Ga naar voetnoot(1)
Zur Geschichte des Mittelniederdeutschen herrschte bis in die 80er Jahre des 20. Jhs. die Ansicht vor, ‘daß sich nach einer ersten Phase frühmittelniederdeutscher Variantenvielfalt ab etwa 1370 in der Kanzlei des Hansevororts Lübeck eine städtische Norm herausgebildet und diese sogenannte ‘lübische Norm’ sich dann im ganzen mittelniederdeutschen Sprachraum ausgebreitet habe’ (Fischer/Peters 2004, 406; vgl. Peters 1997). Studien zu den spätmittelalterlichen Schreibsprachen in Coesfeld, Lemgo, Herford (Fedders 1987, 1990, 1993) und Osnabrück (Weber 1987, 2003) zeigten, dass Normierungsansätze in den genannten westfälischen Schreibsprachen kleinräumig sind und auf regionaler Grundlage
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fußen. Im Bereich der städtischen Verwaltungssprache ist von Lübeck keine normierende Wirkung auf Westfalen ausgegangen.
Die Ergebnisse der genannten Untersuchungen wiesen deutlich auf eine ausgeprägte diatopische und diachronische Variabilität des Mittelniederdeutschen. Die adäquate Darstellungsform für die Erforschung der Variabilität im Mittelniederdeutschen ist ein Sprachatlas. Mit den Methoden der Variablenlinguistik und der historischen Sprachgeographie werden die räumliche Gliederung und die zeitliche Veränderung der mittelniederdeutschen Schreibsprachenlandschaft beschrieben.
Die Materialgrundlage für einen historischen Sprachatlas können nur im Original überlieferte Texte bilden, die lokalisierbar, datierbar und im gesamten Untersuchungsraum in ausreichender Zahl überliefert sind. Diese Voraussetzung erfüllt im mittelniederdeutschen Sprachraum nur das innerstädtische Verwaltungsschrifttum, also vor allem Urkunden. Der Untersuchungszeitraum umfasst das 13. und 14. Jh. sowie zwei ‘Zeitfenster’ aus der Mitte und vom Ende des 15. Jhs.
Im Sommer 1994 wurde mit der Arbeit begonnen. In den ersten fünf Jahren wurde das Textkorpus erstellt. Es umfasst ca. 5.400 Texte mit ca. 650.000 Belegen aus 44 Städten.
Auf der Grundlage eines seit Mitte der 80er Jahre periodisch veröffentlichten Variablenkatalogs (Peters 1987, 1988, 1990) - die Variablen stammen vornehmlich aus dem phonologischen Bereich sowie aus dem der Kleinwärter - wurden in der zweiten Projektphase die Texte auf relevante Formen hin durchgesehen. Dabei wurden mit EDV-Unterstützung Kodierungen vorgenommen. Nach diesem Arbeitsgang konnten für die Merkmale, die kartiert werden sollten, Belegstellenkonkordanzen erstellt werden - die Grundlage für die Datenbank und die daraus mit Computerunterstützung erzeugten Karten.
Der Bearbeitungsraum des Atlas reicht - mit 44 Ortspunkten - von Utrecht bis Magdeburg und von Köln bis Kiel. Der Raum umfasst das niederdeutsche Altland - Ostgrenze ist die Elbe-Saale-Linie -, dazu im Neuland Lübeck als hansischer Vorort und angebliche normgebende Instanz, des Weiteren das Übergangsgebiet im Westen mit Utrecht als Ortspunkt westlich dieses Raumes und Köln als wichtiges Strahlungszentrum südwestlich des niederdeutschen Altlandes. Im Durchschnitt umfasst ein Ortspunkt ca. 120 Texte. Die Kartierungsarbeiten sind abgeschlossen. Es liegen über 300 Sprachkarten vor, aus denen 164 für die Publikation ausgewählt wurden.
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Jan Goossens hat eine Kartierungsmethode vorgestellt, die die Berücksichtigung der Parameter Raum und Zeit ermöglicht (Goossens 1974, 1979, 1995, 1998). So können Wanderungsbewegungen sprachlicher Neuerungen sichtbar gemacht werden. In als komplexe Symbole fungierenden Säulendiagrammen werden die Belegtypen, jeweils auf ein Jahrzehnt bezogen, zueinander ins Verhältnis gesetzt. Pro Symbol können bis zu zwölf Varianten unterschieden und ihre Distribution in 13 Zeitschnitten dargestellt werden. Bei der diachronen Differenzierung hat sich die Einteilung in Dezennien bewährt. Gerade in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. werden die jeweiligen Entwicklungen so sehr gut sichtbar. Bestimmte sprachliche Entwicklungen werden erst durch hinreichend genaue Differenzierung auf der Zeitachse deutlich. Im Einzelnen sind die folgenden Zeitschnitte unterschieden: 13. Jh., sofern Belege vorhanden, 14. Jh. nach Jahrzehnten, Mitte 15. Jh. (1446-1455) und Ende 15. Jh. (1491-1500).
Vorgesehen ist eine Publikation in fünf großformatigen Bänden. Zu jeder Karte wird es eine Tabelle geben, die die genaue Distribution der Belegtypen pro Ortspunkt und untersuchtem Zeitsegment in absoluten Zahlen aufführt. Eine weitere Aufstellung wird über die jeweils zu einem Belegtyp zusammengefassten Schreibvarianten Auskunft geben. Der Kommentar folgt einem festen Muster, führt Sonderbelege auf und interpretiert das Kartenbild nach diachronischen und diatopischen Gesichtspunkten.
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II. Das Ijsselländische
Infolge des Schreibsprachenwechsels vom Latein zur Volkssprache entstanden im 13. und 14. Jh. lokale bzw. regionale Schreibsprachen. Die Schreibsprache einer Stadt ist nicht mit der in ihr gesprochenen Sprache identisch. Besonders in der Frühzeit ist mit einem Einfluss aus der Gegend zu rechnen, aus der die volkssprachige Schriftlichkeit übernommen wurde (Peters 2004, 24).
Es ist nicht möglich, zwischen den mittelniederländischen und den mittelniederdeutschen Schreibsprachen eine klare Grenze zu ziehen; vielmehr gibt es ein mittelniederländisch-mittelniederdeutsches Schreibsprachenkontinuum. Innerhalb dieses Kontinuums bilden das Geldrisch-Kleverländische und das Westfälische Übergangszonen zwischen dem Holländisch-Utrechtschen und dem Niederdeutschen östlich der Weser, dem ‘Sassischen’. Ist das Westfälische schon als Übergangsgebiet zwischen dem Mittelniederländischen und dem ‘Sassischen’ zu kennzeichnen, so gibt es ein weiteres Übergangsgebiet
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zwischen dem Westfälischen und dem Mittelniederländischen zwischen der Veluwe und der Ems. Hier erstreckt sich eine schreibsprachliche Übergangszone, in der mittelniederdeutsche Mundarten von einer stark mittelniederländisch beeinflussten Schreibsprache überdacht werden (vgl. Peters 2003, 2643). Zwischen Veluwe und Ems können sich autochthone, westliche, südliche und östliche Schreibsprachformen überlagern. Der starke mittelniederländische Schreibspracheneinfluss verdankt sich der politischen Zugehörigkeit des Gebietes zum Bistum Utrecht und der Vorbildfunktion des dortigen Schreibwesens. Holländisch-Utrechtsche Sprachmerkmale greifen nach Osten über die Ijssel hinaus.
‘Normierung bzw. Ausgleich ist ein Prozess, bei dem von zwei oder mehreren Varianten nur eine übrig bleibt (Variantenabbau) oder bei dem eine neue Variante eine oder mehrere vorhandene ersetzt (Variantenersetzung). Bei diesen Prozessen wird oft das Stadium des Variantenausbaus durchschritten, in dem die alte und die neue Variante nebeneinander existieren’ (Peters 2004, 25; vgl. Goossens 1994, 85f.).
Zu den Übergängen zwischen westlichem Mittelniederländisch und östlichem Mittelniederdeutsch schreibt Jan Goossens (1983: 64): ‘Man darf sich diese Übergänge nicht als mehr oder weniger gebündelte Sammlungen von Grenzlinien einzelner Spracherscheinungen vorstellen; vielmehr gibt es in den Grenzzonen in der Regel Mischbereiche, in denen zwei oder mehr Formen miteinander konkurrieren. Ihr Verhältnis ist statistisch mit Hilfe einer Variablengeographie zu untersuchen.’ Dies bedeutet, dass der Raum zwischen der Ijssel und der heutigen Staatsgrenze, im Gegensatz zu den umliegenden Schreibsprachlandschaften, keine regionale Schreibnorm herausgebildet haben kann. Angesichts der städtischen Normierungsprozesse ist es aber eher unwahrscheinlich, dass eine städtische Schreibsprache über zwei Jahrhunderte zwischen verschiedenen Formen geschwankt haben soll, ohne städtische Normierungsansätze auszubilden. Anders als die Mischbereiche sind die Ersetzungsprozesse zu werten, bei denen eine alte und eine neue Variante eine Zeit lang nebeneinander existieren. Ich selbst habe 1984 den eigensprachlichen Charakter des Gebietes betont (1984a: 56): ‘Für die Schreibsprache der Ijsselstädte empfiehlt sich wegen ihres durchaus eigensprachlichen Charakters eine eigene Benennung, etwa der Terminus ijsselländisch.’ Später habe ich Jan Goossens’ Mischbereichstheorie akzeptiert (2003: 2644): ‘Charakteristisch für
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das Ijsselländische ist das Schwanken zwischen der nl. und der wf. Variante: brief/breef, dese/desse, niet/nicht, op/up, ende/unde.’
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III.
Zur Beantwortung der Frage ‘Verharren im Zustand der Nichtnormierung (Mischgebiet) oder Ausbildung einer städtischen Norm’ soll ein Blick auf die Schreibsprache der Stadt Zwolle geworfen werden. Sollten Ansätze zu einer städtischen Normbildung ausgemacht werden, ist nach dem Verhältnis von westlichen und östlichen Anteilen an der städtischen Schreibsprache zu fragen.
Aus dem Jahre 1949 stammt der Beitrag von B.H. Slicher van Bath ‘Overijssel tussen west en oost’. Van Bath hat 54 Urkunden aus der Zeit bis 1350, d.h. aus der Anfangszeit der volkssprachigen Urkunde, ausgewertet. Von diesen stammen elf aus Zwolle. Auf Grund der Untersuchung von neun Variablen kommt er für Zwolle zu folgendem Ergebnis (van Bath 1949, 216):
aantal
oork. |
Kenmerken |
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Verhouding |
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West. |
Gem. |
Oost. |
West. |
Gem. |
Oost. |
11 |
56 |
21 |
3 |
70,0% |
26,75% |
3,25% |
Der vorliegenden Untersuchung liegt das Atlas-Korpus des Ortspunktes Zwolle zugrunde.Ga naar voetnoot(2) Es besteht aus 102 innerörtlichen Urkunden,Ga naar voetnoot(3) die sich wie folgt verteilen: 1. Hälfte 14. Jh.: 10, 2. Hälfte 14. Jh.: 52, 1446-55: 20, 1491-1500: 20.
Aussteller der Urkunden sind die scepene (55), Scepen ende raet (5), Burghermeystere, Scepene ende Raet (3), scepenen, Rat, meenre stat (1), der Richter (30), moetsoenslude (2), der Rentmeister in zalland (1), der Cureyt der kerken van zwolle (2), der scolaster van Zutphene (1), die Broederscop van sunte peter en(de) pauwell in sunte Micheels kercke (1) und eine Einzelperson (1).
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Zunächst soll ein Überblick über die Schreibsprachformen im Korpus Zwolle gegeben werden.Ga naar voetnoot(4) Für Zwolle gilt die folgende Variantenkombination:Ga naar voetnoot(5)
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1. Lautlehre
1.1 Kurzvokalismus
Umlaut von vormnd. a: |
mechtich 1351, 1394d, ghemechticht F1, gemechtiget F2. |
‘gangbar’: gheng(h)e (6) zwischen 1342 und 1350c. |
Umlaut von tl. (tonlangem) ā: |
megheden 1394d, 1451b (5), meechden 1497b. |
‘-macher’: ausschließlich <a>-Schreibungen: 2. H. 14. Jh. (7), F1 (4), F2 (5). |
a > o vor ld, lt: |
‘alt-’: 2. H. 14. Jh. olde- (17), oolde- (1), F1 oelde (3), oolde (1), F2 olde (1), oelde (2), oilde (1). |
‘halten’: 1. H. 14. Jh. holden 1335, behoelden 1348, 2. H. 14. Jh.: <o> (8), <oe> (2), F1: <o> (5), <oe> (3), F2: <a> (1), <o> (3), <oi> (1). |
e vor Nasal: |
‘Ende’: ende 1335 (2), 2. H. 14. Jh. ende (3), eynde (2), F1 einde (2), F2 eynde (2). |
o vor ld: |
‘Gold’: 2. H. 14. Jh. golde (3), F1 <o> (1), F2 <o> (25). |
Senkung von u zu o vor gedecktem Nasal: |
‘kund(ig)’: 1. H. 14. Jh. <u> (6), <o> (2), 2. H. 14. Jh. <u> (35), <o> (17), F1 <u> (19), <o> (1), F2 <u> (4), <o> (16). |
‘uns’ (Goossens 1983, Karte 2; Fischer/Peters 2004, 424; Peters 2004, 28): 1. H. 14. Jh. ons (5), 2. H. 14. Jh. ons (62), F1 ons (29), F2 ons (40). |
‘zu Urkund’: 1. H. 14. Jh. orcunde (5), orconde (5), 2. H. 14. Jh. <u> (29), <o> (19), F1 <u> (6), <o> (13), F2 <u> (1), <o> (17). |
‘Summe’: 1. H. 14. Jh. summe (1), 2. H. 14. Jh. <u> (30), F1 <u> (11), F2 <u> (7), <o> (5). |
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Wechsel von u und o: |
‘voll’: 1. H. 14. Jh. vol (3), 2. H. 14. Jh. vol (38), F1 vol (15), F2 vol (15), vul (3). |
Senkung von i, ü, u vor r + Konsonant: |
‘Kirche’: 1. H. 14. Jh. kerke (3), 2. H. 14. Jh. <er> (31), F1 <er> (8), F2 <ir> (1), <er> (23). |
‘Bürger’: burgher (1) 1335, burgeren (1) 1454a. |
Entwicklung von o vor r + Konsonant: |
‘Morgen, Dorf’: 2. H. 14. Jh. morg(h)en (7), merghen (1), derp (1), dorp (1), F2 morgen (1), margen (10), mergen (2). |
Dehnung vormnd. Kurzvokale vor r + Konsonant: |
vor rd: ‘Garten’: 1. H. 14. Jh. ghaerden (3), 2. H. 14. Jh. gaerde(n) (5), goerden (7), F1 goerden (6), aber <a> (3), <ae> (3) in bomga(e)rde(n), F2 goirden (3). |
Schreibung von tl. ō: |
‘offen’: 1. H. 14. Jh. open (1), 2. H. 14. Jh. <o> (3), F1 <o> (6), F2 apen- (4). |
Schreibung von tl. ǖ: |
‘über’: 1. H. 14. Jh. ouer (6), 2. H. 14. Jh. ouer (30), auer (3), F1 ouer (8), F2 auer (3). |
Kürzung tl. Vokale vor -el, -er, -en, -ich und -ing: |
‘wieder’ (Peters 2004, 43): 1. H. 14. Jh. weder (2), 2. H. 14. Jh. weder (14), F1 weder (3), F2 weder (1). |
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1.2 Langvokalismus
Umlaut von â: |
Superlativ von ‘nah’: 1. H. 14. Jh. naest (1), 2. H. 14. Jh. <ae> (13), F1 naest (12), neest (1), F2 naest (14), naist (2). |
‘gnädig’: 2. H. 14. Jh. genadich (3), genedich (2), F1 <a> (1), <e> (6), F2 <a> (2), <e> (2). |
Wg. ē: |
‘Brief’ (Fischer/Peters 2004, 425): 1. H. 14. Jh. brief (19), 2. H. 14. Jh. brief (54), bryef (1), breef (8), F1 <ie> (34), <ee> (2), F2 <ie> (25). |
‘Priester’: 1. H. 14. Jh. preester (2), 2. H. 14. Jh. <ee> (1), <ey> (1), <ie> (9), F1 <ey> (1), <ie> (1), F2 <ie> (4). |
Wg. ō: |
‘Bruder’: 2. H. 14. Jh. broder (1), broeder (9), broider (1), brůderscap (1), F1 <o> (1), <oe> (5), <ue> (6), <u> (1), F2 <oe> (4), <ue> (10), <ui> (1). |
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‘gut’: 1. H. 14. Jh. gueds (1), 2. H. 14. Jh. <oe> (3), <oi> (2), <ue> (3), F1 <oe> (4), <ue> (2), F2 <ue> (8). |
Wg. ō vor Umlautfaktor: |
‘Bruder’ Pl.: 1. H. 14. Jh. broder (1), 2. H. 14. Jh. <o> (5), <oe> (1), <oi> (1), <ue> (1), F1 <ue> (6), F2 <oe> (1), <ue> (2). |
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2. Formenlehre
2.1 Verben
Plural der Verben im Präs. Ind.: |
hebt 1335, 1350d, gheuen 1350b, c, hebt (2) 1351, hebben (2) 1352. Nach 1360 hat sich der Plural auf -n durchgesetzt. Ausnahmen: gaet 1374b, hebt (2) 1375b, wilt 1382a, gaet 1491a. |
Die Pluralformen des Präteritum Indikativ der 5. Ablautreihe: |
3. P. Pl. Prät. ‘sein’: 1. H. 14. Jh. waren (5), 2. H. 14. Jh. waren (14), weren (9), F1 weren (6), F2 weren (3). |
Präteritum der ehemals reduplizierenden Verben: |
‘ließ(en)’: 1. H. 14. Jh. leet (1), leit (1), 2. H. 14. Jh. liet (23), lyet (8), leet (1), let (6), F1 leet (1), liet (13), F2 let (2), liet (12). |
Der so genannte ‘Rückumlaut’: |
‘bekennen’ 3. P. Sg., Pl. Prät.: 2. H. 14. Jh. bekande(n) (9), F1 becande(n) (13), becende (1), F2 bekande(n) (17). |
‘haben’ 3. P. Sg. Präs.: 2. H. 14. Jh. heuet (11), heft (2), heeft (13), F1 heeft (14), hef(f)t (2), F2 heeft (12). |
‘sollen’ 3. P. Sg. Präs. (Peters 2004, 33): 1. H. 14. Jh. sal (10), 2. H. 14. Jh. sal (25), zal (16), scal (1), F1 sal (5), F2 sal (8). |
‘sollen’ 3. P. Pl. Präs.: 1. H. 14. Jh. sulen (5), solen (3), soelen (1), 2. H. 14. Jh. solen (4), zoelen (7), zullen (8), F1 sullen (11), F2 soelen (3), sollen (4), sullen (5). |
‘wollen’ 3. P. Sg. Präs.: 1. H. 14. Jh. wil (1), 2. H. 14. Jh. will (1), F2 will (2), wyll (1). |
‘gehen’ 3. P. Sg. Präs.: 2. H. 14. Jh. gaet (8), g(h)eet (3), F1 g(h)aet (14), F2 gaet (9). |
‘stehen’ 3. P. Sg. Präs.: 2. H. 14. Jh. staet (1), steet (2), F1 staet (12), steet (4), F2 staet (16), steet (1). |
‘sein’ Part. Prät.: gewesen 1381, 1382b, geweest 1393b, 1399c, F1 geweest (3),
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2.2 Wortbildung
Das Suffix ‘-schaft’: 2. H. 14. Jh. -scap (2), F1 -scap (1), -schap (3), F2 -scap (6), -schap (4), -scop (3). |
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3. Einzelne Lexeme
3.1 Substantive:
‘Mittwoch’: 2. H. 14. Jh. wonsdach (1), wondesdach (1), woensdach (3), woonsdach (1), F1 wonnesdach (1), woensdach (2). |
‘Samstag’: 2. H. 14. Jh. zaterdach (4), F1 saterdach (2), F2 saterdach (2). |
‘Sonntag’: 1. H. 14. Jh. sonendach (1), 2. H. 14. Jh. sonendach (2), zonnendach (2), F1 sonnendach (2), F2 sonnendach (1). |
‘Jungfrau’: 1. H. 14. Jh. juncvrouwe (2), 2. H. 14. Jh. Joncfer (4), F2 Jonfer (1), Joffer (2). |
‘Ehefrau’: 1. H. 14. Jh. wijf (9), echte wijf (1), 2. H. 14. Jh. wijf (14), echte wijf (50), F1 wijff (1), echte wijff (11), huysvrouwe (1), F2 echte wijff (9), echte huysfrouwe (6), huysfrouwe (4). |
‘Freund’, ‘Freundschaft’: 2. H. 14. Jh. vriend- (4), F1 vriend- (1), vrentscap (1), vrentlick (1), F2 vrund- (1), vruntlick (1). |
‘Siegel’: durchgängig seg(h)el. |
‘Silber’: F1 siluer (1), F2 siluer. |
‘Stadttor’: durchgängig porte, poerte, poirte. |
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3.2 Adjektive
‘ganz’: 2. H. 14. Jh. al (14), alingh (14), F1 al (1), aling (9), heel (1), F2 aling (3), gans (1). |
‘gegenwärtig’: 2. H. 14. Jh. teghenwordich (1), F1 teg(h)enwoirdich (2), F2 tegenwoirdich (3). |
‘heilig’: 1. H. 14. Jh. heylegh- (1), 2. H. 14. Jh. heleghe- (8), heylighe- (4), hil(l)ighe- (3), F1 heilig(h)e- (8), hilighe- (2), F2 heylige- (6), helige- (1). |
‘neue-’: 2. H. 14. Jh. nye- (7), F1 nye- (2). |
‘sanctus’: 1. H. 14. Jh. sante (5), 2. H. 14. Jh. sante (31), sente (1), sunte (16), F1
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sunte (13), sante (1), F2 sante (22), sente (3), sinte (1), sunte (9). |
‘viele’: 2. H. 14. Jh. vele (2), veel (1), voel (1), F1 vele (2). |
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3.3 Zahlwörter
‘sechs’: 2. H. 14. Jh. ses (8), F1 sess (4), F2 ses(s) (4). |
‘sieben’: 1. H. 14. Jh. zouen (2), 2. H. 14. Jh. souen (6), soeuen (1), F1 seuen (3), F2 seuen (4). |
‘zehn’: 1. H. 14. Jh. thien (4), thijn (1), 2. H. 14. Jh. tien (7), tyen (8), F1 tien (2), F2 tyen (1). |
‘zwölf’: 1. H. 14. Jh. tvaelf (1), 2. H. 14. Jh. twalef 1364b, twel(e)f(f) (5), dazu tweelften 1376, F1 twalff (1). |
‘dreizehn’: 2. H. 14. Jh. dertien (1), dertyen (1), F1 dertien (1), F2 dertien (1). |
‘vierzehn’: 1. H. 14. Jh. vierthen (1), veerthijn (1), 2. H. 14. Jh. vierthien 1351, vyertien 1400c, vyertyen 1400f, F2 viertien (1), viertyen (1), vyertyen (2). |
‘fünfzehn’: 2. H. 14. Jh. vijftien (1), viiftyen (1), F1 vijfftien (1). |
‘sechzehn’: 1. H. 14. Jh. sesthijn (1), 2. H. 14. Jh. sestien (2), zestien (1), F1 sestien (1), F2 sestien (1). |
‘dreißig’: dertich 1. H. 14. Jh. (1), 2. H. 14. Jh. (2), F1 (1), F2 (1). |
‘vierzig’: vertich 1342, 1344, viertich 134[1-9], 1348, 1349, 1350c. |
‘fünfzig’: 1. H. 14. Jh. vijftich (2), vieftich (1), viiftich (1), 2. H. 14. Jh. viiftich (2), F1 viiftich (2), vijftich (10). |
‘sechzig’: tsestich 2. H. 14. Jh. (10), F1 (2), F2 (1). |
‘siebzig’: 2. H. 14. Jh. tsouentich (9). |
‘achtzig’: tachtentich (7) 1381-1385b. |
‘neunzig’: 2. H. 14. Jh. neghentich (17), tnegentich (1), F2 negentich (1), tnegentich (17). |
‘erste’: 1. H. 14. Jh. eirste- (1), eerste- (1), 2. H. 14. Jh. eerste (2), yrste (3), ijrste (7), yerste (3), ierste- (1), F1 ierste- (7), eirste (4), F2 ijrste (5), yrste (2), yerste (1). |
‘dritte’ (Fischer/Peters 2004, 427): 2. H. 14. Jh. derde (3), dorde (1), F2 derde (3). |
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3.4 Pronomina
Personalpronomina:
‘ich’: 1. H. 14. Jh. ic (9), ick (1), 2. H. 14. Jh. ic (42), ick (1), F1 ic (15), F2 ic (2), ick (4). |
‘mir’, ‘mich’ (Peters 2004, 30): mj bis 1378, mi 1371, 1381/82, my 1385 bis 1496, mij 1449-51, 1500. |
‘wir’: wy, seit 1374a wij. |
‘uns’: s. Senkung von u > o vor gedecktem Nasal. |
‘er’: 1. H. 14. Jh. hie (1), hi (4), 2. H. 14. Jh. hi (4), hij (21), hii (3), F1 hij (10), hii (1), hie (10), F2 hij (7), hy (3), hee (4). |
‘ihm’: 1. H. 14. Jh. em (1), 2. H. 14. Jh. em (1), hem (11), F1 hem (11), F2 hem (6). |
‘ihn’: 2. H. 14. Jh. om (1) 1351, hem (2) 1361. |
‘sie’ (Sg.): 1. H. 14. Jh. sie (2), see (1), 2. H. 14. Jh. sij (4), see (1), F1 sie (1), sij (1), F2 sy (1). |
‘sie’ (Pl.): 1. H. 14. Jh. sij (1), sie (3), si (1), 2. H. 14. Jh. sie, sij, si (61), se, see (28), F1 sie, sij, si (42), F2 sij, sy, sie (26), see (4). |
‘ihr-’: 1. H. 14. Jh. oer- (8), 2. H. 14. Jh. oer- (183), or- (5), oor- (1), oir- (2), hoer- (13), hor- (1), F1 oer- (56), hoer- (3), hor- (4), F2 hoer- (63), hoir- (14), or- (5), hoer- (1). |
‘ihnen’: 1. H. 14. Jh. em (2), hem (1), 2. H. 14. Jh. em (28), eme (1), vm (4), om (1), hem (69), F1 em (2), hem (53), F2 hem (45), hen (1). |
Das Reflexivpronomen ‘sich’: 2. H. 14. Jh. em (7), hem (50), oer (2), F1 em (1), hem (28), F2 hem (27), oir (2), or- (1), oer (1). |
Demonstrativpronomina:
‘dieser, diese’ (Peters 2004, 41): 1. H. 14. Jh. dese- (1), desse (18), 2. H. 14. Jh. dese (121), desse (5), F1 dese (44), desse (5), F2 dese (33), desse (17). |
‘der-, die-, dasjenige’: 1. H. 14. Jh. ghene- (7), 2. H. 14. Jh. ghene- (26), gheenre (1), ghiene (1) 1375b, F1 ghene (12), gheen (1), gheenre (2), F2 g(h)ene (9), geene (7). |
‘der-, die-, dasselbe’ (Peters 2004, 39): selue- 2. H. 14. Jh. (50), F1 (19), F2 (17). |
‘solcher, -e, -es’: 1. H. 14. Jh. alsulk- (5), 2. H. 14. Jh. alsulk (2), dusdan- (1), alsodanich (1), F1 alsulk (13), F2 sulk (3), alsulk (3), alsolck (1), soedan (1), alsodaen (1). |
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Das Interrogativpronomen ‘wer’: 1. H. 14. Jh. wie (2), 2. H. 14. Jh. we (2) 1365, wie (1) 1375, F1 wie (1), F2 wye (1), wie (1). |
Indefinitpronomina:
‘jemand’: 2. H. 14. Jh. yemant (2), iement (1), F1 iemant (2), yemant (1), F2 jemant (4). |
‘niemand’: nieman (1) 1335, nyemant (1) 1394b und F1 (5), F2 neymant (1). |
‘(irgend)ein(er)’: enich (7) 2. H. 14. Jh., (2) F2. |
‘kein’ (geschlossene Silbe): geen 2. H. 14. Jh. (3), F1 (8), F2 (2). |
‘jeder’: 1. H. 14. Jh. elk- (1), 2. H. 14. Jh. elc (11), malc (1), F1 ellic (1), F2 elck (3), ytlijk (1). |
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3.5 Adverbien
Interrogativadverbien:
‘wo’ (Peters 2004, 38): 2. H. 14. Jh. waer (2), F2 woir (2), wair (1). |
‘wie’: 1. H. 14. Jh. wo (2) 1375b, hoe (4) 1378-1385b, ho 1397a, F2 woe (2). |
‘unten’: beneden 2. H. 14. Jh. (1), F1 (1), F2 (1). |
Temporaladverbien:
‘immer’, ‘stets’ (Mähl 2004, 127-142): 2. H. 14. Jh. ommer(meer) (5) 1361-76, vmmermeer (1) 1400f, F1 altoes (1), F2 altoes (4), altijt (2). |
‘oft’ (Mähl 2004, 109-126; Fischer/Peters 2004, 426): 2. H. 14. Jh. mennichwerue (1) 1361, F1 vake 1448a, F2 dicke (1) 1492b, vake (1) 1494b, vaeke (1) 1500b. |
Modaladverbien:
‘wohl’ (Peters 2004, 34): 1. H. 14. Jh. wal (3), 2. H. 14. Jh. wal (3), wel (1) 1365b, F1 wal (3), F2 wal (3), waill (2). |
‘nicht’: 1. H. 14. Jh. niet (1), 2. H. 14. Jh. niet (24), nyet (1), neet (1) 1382a, F1 niet (6), F2 nyet (5), neit (2) 1491b. |
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3.6 Präpositionen
‘ab’: 2. H. 14. Jh. aff (20), off (23), F1 aff (22), F2 aff (18). |
‘an’: 1. H. 14. Jh. an (14), 2. H. 14. Jh. an (62), aen (27), F1 an (44), aen (15), F2 an (21), aen (51). |
‘auf’: 1. H. 14. Jh. op (16), 2. H. 14. Jh. op (85), vp (8), F1 op (45), vp (1), F2 op (30), vp (1). |
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‘bis’: 1. H. 14. Jh. vnt (1), ont (1), 2. H. 14. Jh. ont (6) 1351-52, thent (1) 1361, tendes (1) 1396. |
‘durch’: F1 doer (5), doir (1), F2 doer (2), doir (2). |
‘gegen’: 1. H. 14. Jh. tgeghen (1), 2. H. 14. Jh. tiegen (1) 1383b, tegen (1) 1385a, teghens (1) 1394d, F1 teg(h)en (3), F2 tegen (1), tegens (7). |
‘hinter’: 1. H. 14. Jh. achter (1), 2. H. 14. Jh. achter (6), after (1) 1369a, F1 achter (2), F2 achter (4). |
‘mit’: 1. H. 14. Jh. mit (29), 2. H. 14. Jh. mit (298), myt (2), met (1) 1394c, F1 mit (67), myt (1), met (1), F2 mit (13), myt (77), met (1). |
‘ohne’ (Peters 2004, 35): 1. H. 14. Jh. sunder (7), sonder (1), 2. H. 14. Jh. sunder (13), sonder (29), F1 sunder (5), sonder (11), F2 sonder (21). |
‘um’: 1. H. 14. Jh. omme (5), om (7), 2. H. 14. Jh. omme (11), om (40), vmme (4), vm (2), F1 om (15), F2 omme (5), om (11). |
‘zu’: 1. H. 14. Jh. toe (2), tho (2), 2. H. 14. Jh. to (1), toe (1), tot (13), F1 toe (4), F2 toe (2). |
‘zwischen’: 1. H. 14. Jh. tuschen (4), tusschen (1), 2. H. 14. Jh. tuschen (1), tusschen (40), F1 tusschen (12), tuisschen (1), F2 tusschen (7), tussen (1). |
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3.7 Konjunktionen
Kopulative Konjunktion ‘und’: 1. H. 14. Jh., 2. H. 14. Jh., F1 ende, F2 ende, vnde (2) 1496b. |
Adversative Konjunktionen ‘aber’, ‘sondern’: 2. H. 14. Jh. mer (20). |
Disjunktive Konjunktion ‘oder’: 1. H. 14. Jh. of(f) (6), oft (2), ofte (5), 2. H. 14. |
Jh. of(f) (60), oft (8), ofte (7), F1 off (52), oft (1), offte (1), F2 off (13), of(f)t (8), of(f)te (18). |
Temporale Konjunktion ‘wenn’: 2. H. 14. Jh. wannier (2) 1351, wanneer (4) 1361-92c, F1 wanneer (2), F2 wanneer (4). |
Kausale Konjunktionen ‘denn’, ‘weil’: want 2. H. 14. Jh. (9), F1 (7), F2 (2). |
Modale Konjunktion ‘(kompar.) als’: dan 2. H. 14. Jh. (6), F1 (2). |
Die in Zwolle geschriebenen Sprachformen können unterschiedlichen Schreibsprachlandschaften zugeordnet werden:
1) | Mittelniederländisch und Mittelniederdeutsch
Die Zwoller Formen sind Teil eines mittelniederländisch-mittelniederdeutschen Kontinuums.
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| Hierher gehören die Variablen ‘Kirche’, ‘viele’, ‘sechs’, ‘jemand’ und ‘mit’. Diese erscheinen in Zwolle wie in Utrecht und in den niederdeutschen Schreibsprachen als kerke, vele, ses (im 15. Jh. im Nordniederdeutschen sös), iemant und mit. |
2) | Mittelniederländisch-Westfälisch-Nordniedersächsisch
Das Ostfälische steht außerhalb dieses Verbandes.
‘wollen’ 3. P. Sg. Präs. wil, ostfälisch wel; ‘ich’ ik, of. ek; ‘wir’ wy, of. we, 15. Jh. wy; ‘mir, mich’ mi, of. mek, mik, mi ‘mir’, mek, mik ‘mich’. |
3) | Das Ijsselländische (Zwolle) stimmt mit dem Mittelniederländischen (Utrecht) und dem Westfälischen (Münster) überein. Das Nordniedersächsische geht mit dem Ostfälischen zusammen (Sassisch).
‘gangbar’: ghenge. Utrecht hat in F2 ganc; bis vor 1490 stehen also Utrecht, Zwolle, Münster und Kleve gegen ginge (nns. + of.).
‘wieder’: Der nl.-wf. Raum steht mit weder gegen das nns. + of. wedder.
Das Suffix ‘-schaft’: -sc(h)ap; in Münster ist in F2 -sc(h)op Hauptvariante.
‘Samstag’: saterdach, nns. + of. sun/sonavend.
‘Stadttor’: po(e)rte, nns. + of. do(e)r.
‘dreißig’: dertich, nns. dortich, druttich, of. drittich.
‘dritte’: Utrecht und Münster schreiben derde; in den Ijsselstädten ist daneben auch dörde belegt: in Kampen 1380-90, in Zwolle 1394d, in Deventer 1380-1400. Nns. + of.: dridde/drüdde.
‘der-, die-, dasselbe’: -selue, nns. + of. -sülue.
‘der-, die-, dasjenige’: -gene (Ausnahme -giene (1) Zwolle 1375b). Nns. -genne, -jenne, of. -jenne.
‘wo’: waer, dazu woir (2) Zwolle 1391b. Nns. wor, of. wur.
‘unten’: beneden, nns. + of. (be)nedden.
‘durch’: doer, nns. + of. dörch.
‘gegen’: tegen, nns. iegen, of. tegen/tigen (iegen).
‘zwischen’: tus(s)chen, nns. + of. twisschen.
‘oder’: of(t)(e), nns. + of. eder > edder.
‘denn’, ‘weil’: want (Münster wante), nns. + of. wente.
‘(kompar.) als’: dan, nns. dan, den, wan, wen, of. wan, wen. |
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4) | Das Ijsselländische geht mit Utrecht zusammen; das Westfälische gehört zum Mittelniederdeutschen oder hat eine eigene wf. Variante (Utrecht + Zwolle ↔ Münster).
‘-macher’: Es gibt einen Nord-Süd-Gegensatz: nl. + ijss. + nns. -maker, klev. + wf. + of. -meker.
‘voll’: vol (Deventer F2 vul), Münster vul.
Superlativ von ‘nah’: naest, Münster negest, nest.
‘Brief’: brief, brieue (Minderheitenvariante in Zwolle breef), Münster bref.
‘sein’ 3. P. Pl. Präs.: sin, Münster sint.
‘Mittwoch’: woensdach, Münster guedensdach, nns. + of. midweken.
‘Sonntag’: sonnendach, Münster sundach.
‘Siegel’: segel, Münster ingesegel.
‘gegenwärtig’: tegenwoirdich, Münster jegenwordich.
‘heilig’: Utrecht stimmt mit der Zwoller Hauptvariante überein. Nebenvarianten in Zwolle sind helig und hillig. Münster schreibt hillig.
‘zehn’: tien, Münster teyn.
‘dreizehn’: dertien, Münster drutteyn.
‘fünfzehn’: vijftien, Münster viftein.
‘sechzehn’: sestien, Münster sestein.
‘fünfzig’: vijftich, Münster viftich.
‘sechzig’: tsestich, Münster sestich.
‘achtzig’: tachtentich, Münster achtentich.
‘uns’: ons-, Münster uns.
‘er’: hie, hij [+ hee (4) Zwolle 1500a], wf. + nns. + of. he.
‘sich’: hem, oer, Münster sik.
‘solcher, -e, -es’: (al)sulk, Münster sol(i)k.
‘wer’: wie [+ we (2) Zwolle 1365a], we Oldenzaal, Münster, nns. + of.
‘niemand’: niemant, Münster 14. Jh. ne(y)mant, F1 nemant/niemant, F2 niemand.
‘irgendein’: enich, Münster ienich.
‘kein’: geen, Münster nyn, nns. nen, of. neyn.
‘jeder’: Utrecht elk, Kampen 1380-1400 elkermalk, F1 elk, Zwolle bis 1370 elk, 1390-1400 malk (1), F1 + F2 elk, Deventer elkermalk, Münster malk, iewelik, F1 + F2 itlik.
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| ‘nicht’: niet, Münster nicht.
‘auf’: Utrecht op, Kampen op, Zwolle op (1380-90 Nebenvariante vp), Deventer vp (14. Jh.), op (15. Jh.), Münster, nns. + of. vp.
‘um’: om(me), Münster, nns. + of. vmme.
‘und’: ende, Münster bis 1340 ande, dann vnde, nns. + of. vnde.
Im folgenden Fall stimmt die Mehrheitsvariante mit Utrecht, die Minderheitsvariante mit Münster überein: ‘sie’ (Sg. und Pl.): sie/(see). |
5) | Das Ijsselländische geht mit dem Westfälischen zusammen, die Schreibsprache Zwolles stimmt mit der Münsters überein.
Umlaut von vormnd. a: mechtich, nl. machtich.
Umlaut von tl. ā: megheden, meechden (D. Pl.).
a vor ld: ‘halten’: Die Schreibung <o> (so auch Münster) ist in Zwolle Mehrheits-, <oe> Minderheitsvariante (vgl. ‘alte-’). Utrecht houden, Kleve halden.
o vor ld: ‘Gold(e)’: golde, Utrecht goud.
Senkung von u zu o: ‘Summe’: summe. Der Wechsel zu <o> beginnt in Zwolle erst 1496.
‘bekennen’ 3. P. Sg., Pl. Prät.: bekande(n).
‘neue-’: nye.
‘sollen’ 3. P. Sg. Präs.: sal (ijssell. + wf. + niederrh.); Utrecht 14. Jh. sel, F1 sal + sel, F2 sal (sel). Nns. + of. schal. Die ijssell.-wf.-niederrh. Variante breitet sich im 15. Jh. nach Westen hin aus.
‘oft’: Zwolle F1, F2 vake, Münster F1 vake, F2 vaken, Utrecht dicke, Kleve + Köln ducke.
‘wohl’: Zwolle wal, Münster 1370-1400 wal/(wol), F1 wol/(wal), F2 wal; Utrecht wel.
‘hinter’: achter, Utrecht after. |
6) | Das Ijsselländische und das Kleverländische stimmen überein (Zwolle + Kleve).
‘Bürger’: Utrecht und Münster haben borger, Zwolle, Deventer, Kleve, Arnheim, Köln dagegen burger.
‘ihr-’: Utrecht hor, Zwolle, Deventer, Kleve or, Münster er.
‘bis’: Zwischen tot in Utrecht und einer Variantenvielfalt in Münster (2. H. 14. Jh. wente, F1 hent, F2 bes) ist ein tend-Areal zu erkennen:
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| Kampen tend, Zwolle 1350-60 vnt (1), ont (7), tend (2) 1361, 1396b, Deventer 1360-1400 tot, F1 tend, Kleve tend, F2 bis. |
7) | Sonderstellung der Ijsselstädte
-or-: merghen (landes) (1) 1364a, morghen (7); bernd bouenderpsGa naar voetnoot(6) 1365b, Everde van astendorp 1365b; F2 mergen (2), margen (10), morgen (1).
a vor -rd: Die ältere Schreibung ghaerden wird in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. durch goerden ersetzt.
‘Ehefrau’: Utrecht wijf, Hauptvariante in Zwolle ist echte wijf, Münster 14. Jh. wif> echte husvrouwe, F1, F2 echte husvrouwe.
‘Silber’: Utrecht + Münster suluer, Kampen, Zwolle, Deventer silver. ‘siebzig’: Utrecht tseuentich, Zwolle tsouentich, Münster seventich.
Varianten der Schreibsprache Zwolles können sich nach Westen und/ oder nach Osten ausbreiten.
Nach Westen wie nach Osten hin weitet das ijsselländische mer seinen Bereich aus: Kampen, Zwolle, Deventer, Arnheim, Kleve, Köln mer, Utrecht 14. Jh. ma(e)r, F1 + F2 mer, Münster men, 1370-80 mer, 1390-1400 + F1 men, F2 mer.
Im Falle ‘sollen’ 3. P. Pl. Präs. breitet sich eine Zwoller Variante nach Utrecht hin aus: Zwolle 2. H. 14. Jh. solen (4), soelen (7), sullen (8) (der erste sullen-Beleg datiert von 1394), F1 sullen (11), Utrecht sellen, F2 sullen/sellen.
Zwei ijsselländische Varianten breiten sich nach Osten hin aus: ‘oft’: Utrecht dicke, Kleve + Köln ducke, Zwolle + Deventer vake, Münster F1 vake, F2 vaken. Am Ende des 15. Jhs. reicht das vake(n)-Areal bis zur Weser.
‘wohl’: Utrecht wel, Zwolle + Deventer wal, Kleve wael, Münster 1370-1400 und F2 wal. Auch im Falle der Variablen ‘wohl’ reicht das wal-Areal am Ende des 15. Jhs. bis zur Weser. |
Wir wenden uns nun den Fällen zu, in denen in Zwolle eine Variante durch eine andere ersetzt wird. Die Ersetzungsprozesse können den Wechsel in der schreibsprachlichen Orientierung einer Stadt sichtbar machen.
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1) | Aus einer alten nl.-nd. Form entsteht eine nl. und eine nd. Variante: ‘haben’ 3. P. Sg. Präs.: heuet > nl. heeft, nd. heft. In Zwolle wechselt heuet ab 1383 zur westlichen Variante heeft. |
2) | Im gesamten Untersuchungszeitraum werden östliche Varianten (Zwolle + Münster) durch westliche ersetzt.
‘vierzig’: vertich (2) 1342, 1344 → viertich 134[1-9], 1348, 1349, 1350. ‘ohne’: sunder → sonder um 1350.
‘Jungfrau’: Ebenfalls um 1350 wechselt juncvrouwe zu Joncfer, Jonfer, Joffer.
Die frühen Belege des -t-Plurals erweisen, dass Zwolle im 14. Jh. zum Gebiet des Einheitsplurals auf -t gehört hat. Der Plural auf -en ist erst in der Mitte des 14. Jhs. von Westen her in die städtische Schreibsprache eingedrungen.Ga naar voetnoot(7)
‘diese(r)’: Ebenfalls in der Mitte des 14. Jhs. wechselt desse zu dese. In F2 steigt der Anteil der östlichen Variante wieder auf ein Drittel an. ‘ihnen’: em →hem (em) in der 2. H. des 14. Jhs. → hem in F1, F2.
‘ihm’: em geht nach 1350 zu hem über.
‘lassen’ 3. P. Sg., Pl. Prôt.: Nach 1350 wird leet durch liet ersetzt.
‘Priester’: Nach anfänglichem Nebeneinander von <ee>, <ey> und <ie> setzt sich nach 1390 <ie> durch.
‘Ende’: Im letzten Jahrzehnt des 14. Jhs. wird ende von eynde abgelöst.
‘zu Urkund’: In der ersten Hälfte des 15. Jhs. erfolgt der Wechsel von -un- → -on- im Lexem ‘zu Urkund’.
‘neunzig’: Ebenfalls in der ersten Hälfte des 15. Jhs. wird der Wechsel von neg(h)entich zu tnegentich erfolgt sein.
‘an’: In der 1. Hälfte des 14. Jhs. tritt ausschlielßlich an auf, in der 2. Hälfte und in F1 gibt es daneben aen als Minderheitenvariante; in F2 ist aen dann in der Mehrheit.
‘kundig’: Später als bei den Variablen ‘ohne’ (sunder > sonder um 1350) und ‘zu Urkund’ (1. H. 15. Jh.) erfolgt der Übergang von u > o vor gedecktem Nasal beim Lexem ‘kundig’, nämlich erst in F2. Dies wird daran liegen, dass es sich bei ‘tu/tut/tun kundig’ um eine formelhafte Wendung handelt. |
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3) | Weniger häufig werden westliche Varianten durch östliche ersetzt:
‘Freund’: Zwolle schreibt in der 2. Hälfte des 14. Jhs. vriend, in F1 dagegen vriend (1), vrentscap (1), vrentlicke (1). Vrend- stammt aus der ijsselländisch-westfälischen Nachbarschaft (Deventer vrend, Münster bis 1400 vrend). Ein erneuter Wechsel erfolgt in der 2. Hälfte des 15. Jhs. zu vrund- (1), vruntlick (1). Die neue Variante kann von Osten und/oder von Süden nach Zwolle gelangt sein: Münster F1, F2 vrund, Köln vrund, Kleve 14. Jh. vriend, F2 vrund.
‘zwölf’: In der 2. Hälfte des 14. Jhs. erfolgt ein Wechsel von twalef (zuletzt 1364) zu twelf (zuerst 1376). Auch in diesem Fall kann die neue Variante aus dem Osten und/oder aus dem Süden stammen (Münster twelf, Kleve twelf, Deventer twel(e)f). Ob das einmalige twalff (1452) den Beginn einer erneuten Niederlandisierung darstellt, ist nicht zu entscheiden.
‘sein’ 1., 3. P. Pl. Prôt. Ind.: In der 2. Hälfte des 14. Jhs. setzt der Wechsel von waren zu weren (erster Beleg 1361) ein. In F1 und F2 gilt ausnahmslos weren. |
4) | In den folgenden vier Fällen wechselt der Zwoller Schreibgebrauch von einer östlichen zu einer westlichen und wieder zurück zu der östlichen Variante.
‘sein’ Part. Perf.: gewesen zwischen 1380 und 1390, geweest zwischen 1390 und 1400 und in F1, gewesen (2) in F2. Utrecht schreibt gewest, Münster wechselt nach 1400 von gewesen zu gewest.
‘wie’: Die Überlieferung in Zwolle beginnt mit wo (2) 1375 und wechselt dann zu ho(e) (1378-1397). Für F1 fehlen Belege, F2 hat woe (2).
‘ab’: Nach anfänglichem af wird im letzten Jahrzehnt des 14. Jhs. das westliche of geschrieben. In F1 und F2 gilt dann ausnahmslos af.
‘zu’ (Richter zu Zwolle): Nach 1350 wechselt to(e) zu tot; in F1 und F2 gilt toe. |
5) | Der schreibsprachliche Einfluss des Kleverländischen auf den Ijsselraum bewirkt, dass sich von Süden her ein Keil zwischen das Mittelniederländische und das Westfälische schiebt.
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| ‘erst(e)’: Utrecht erst(e), Münster erste 14., eirste 15. Jh. Arnheim, Kleve und Deventer schreiben irste. Zwolle beginnt mit eirste 1335, eerste 1350 und wechselt dann zu irste.
‘offen’: Die Schreibung für tl. ō in ‘offen’ wechselt im letzten Drittel des 15. Jhs. von <o> zu <a>.
‘über’: Utrecht und Münster schreiben ouer. In Zwolle wird im letzten Drittel des 15. Jhs. die Graphie <o> durch <a> ersetzt.
‘Bruder’: Zwolle wechselt von der westlichen Schreibung <oe> über <oe, ue> in F1 zu mehrheitlichem <ue> in F2. Die <ue>-Schreibung setzt sich auch in Utrecht durch: 14. Jh. broeder, F1 brueder. In Münster bleibt <o> erhalten.
‘Brüder’: Im 14. Jh. ist <o>, also eine östliche Schreibung, die Hauptvariante, in F1 gilt ausschließlich <ue>. Im Umlautfall hat sich also die Schreibung <ue> etwas eher durchgesetzt als für wg. ō. |
6) | Zwolle wechselt aus einem mittelniederländisch-westfälischen Zusammenhang zum Nordniedersächsischen.
‘wo’: Utrecht, Kleve und Münster schreiben wa(e)r. Diese Schreibung bezeugen für Zwolle zwei Belege von 1392 und 1394. Der Schreiber der Urkunde 1391b schreibt woir (2), der der Urkunde 1395b dagegen wair (1). |
7) | Eine östliche Form wird durch eine regionale Variante ersetzt. Diese wird vom Nordniedersächsischen gestützt.
‘alt-’: In der 2. Hälfte des 14. Jhs. stimmt Zwolle mit Deventer und Münster überein: olde, Utrecht oude, Kleve alde. Doch erweist der Beleg oolde die Existenz der Dehnung o > ō schon für 1351. Der Wechsel zu ō ist in F1 vollzogen: oelde (3), oolde (1). |
8) | Eine regionale Form wird durch die im Mittelniederländischen und im Mittelniederdeutschen herrschende Variante ersetzt.
‘wenn’: wannier (2) 1351 wechselt zu wanneer (seit 1361).
‘sieben’: In der 1. Hälfte des 15. Jhs. wechselt souen zu seuen, der in Utrecht und Münster gebräuchlichen Form. |
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9) | Die regionale Form wird durch die westliche Variante ersetzt.
‘ihn’: om (1) 1351, hem (2) 1361, Utrecht hem, Münster en(e).
‘stehen’ 3. P. Sg. Präs. Ind.: 2. H. 14. Jh. steet (2) 1361, 1375, staet (1) 1398, F1 staet (12), steet (4), F2 staet (16), steet (1), Utrecht staet, Münster steyt.
‘gehen’ 3. P. Sg. Präs. Ind.: Bis 1390 gibt es ein Nebeneinander von westlichem gaet und regionalem geet, dann erfolgt ein Variantenabbau zur westlichen Variante. Utrecht gaet, Münster geit. |
10) | Der Zwoller Schreibgebrauch wechselt von einer regionalen Variante zu einer östlichen und wieder zurück zu einer regionalen Variante.
‘sanctus’: Zu sante tritt 1361 die Nebenvariante sunte [1. H. 14. Jh. <a> (5), 2. H. <a> (31), <u> (16)]. In F1 dominiert das östliche sunte; in F2 ist der Zustand der 2. Hälfte des 14. Jhs. wieder hergestellt [<a> (23), <u> (9)]. Utrecht sinte, Kleve, Deventer sente, Münster sunte. |
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IV. Zusammenfassung
Es wurden 116 Variablen untersucht. Klassifiziert man die Variablen danach, ob sie eher zum Typ ‘Mischbereich’ oder zum Typ ‘städtische Norm’ zu rechnen sind, gehören sieben Variablen zum Typ ‘Mischbereich’ und 99 zum Typ ‘städtische Norm’. Variablen, bei denen Ersetzungsprozesse ablaufen, wurden zum Typ ‘städtische Norm’ gerechnet. Zum Typ ‘Mischbereich’ gehören die Variablen ‘halten’, ‘Morgen/Dorf’, ‘gnädig’, ‘gut’, ‘sollen’ 3. P. Pl. Präs., ‘heilig’ und ‘sanctus’.
Die Varianten wurden unterschiedlichen Schreibsprachenlandschaften zugeordnet:
1. |
mnl. + mnd.: |
6 Fälle |
2. |
mnl. + wf. + nns.: |
4 Fälle |
3. |
mnl. + wf.: |
17 Fälle |
|
_____ |
|
27 Fälle |
|
4. |
Utrecht + Zwolle ↔ Münster: |
32 Fälle |
5. |
Zwolle + Münster ↔ Utrecht: |
11 Fälle |
6. |
Zwolle + Kleve: |
3 Fälle |
7. |
Ijsselstädte: |
9 Fälle |
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| |
In 34 Fällen findet eine Variantenersetzung statt.
1. |
mnl. + mnd. → westlich: |
1 Fall |
2. |
östlich → westlich: |
13 Fälle |
3. |
westlich → östlich: |
3 Fälle |
4. |
östlich → westlich → östlich: |
4 Fälle |
5. |
Zwolle → Kleve: |
5 Fälle |
6. |
Zwolle → nns.: |
1 Fall |
7. |
östlich → regional (+ nns.): |
1 Fall |
8. |
regional → mnl.-mnd.: |
2 Fälle |
9. |
regional → westlich: |
3 Fälle |
10. |
regional → östlich → regional: |
1 Fall |
In 27 Fällen gehören die Varianten der Zwoller Schreibsprache einem mittelniederländisch-westfälischen Areal an, in 32 Fällen einem mittelniederländisch-ijsselländischen und in 11 Fällen einem ijsselländisch-westfälischen. Die Schreibsprache Zwolles ist also eher westlich als östlich geprägt. Die westliche Prägung wird verstärkt durch Ersetzungsprozesse, die in der Hälfte der Fälle (17 von 34, Nr. 1., 2., 9.) zu einer westlichen Variante hin ablaufen, nur in drei Fällen zu einer östlichen und in fünf Fällen zu einer südlichen. Von den 14 Ersetzungen östlicher Formen durch westliche erfolgen sieben vor, um und nach 1350, drei zwischen 1380 und 1400, zwei in F1 und zwei in F2. Hinzu kommen die drei Fälle, in denen eine regionale Variante durch eine westliche ersetzt wird: Eine um 1360, zwei um 1390. Die Verwestlichung der Schreibsprache erhält einen Schub um und nach 1350 und setzt sich dann verlangsamt bis 1500 fort. Die Zahl östlicher Varianten nimmt dementsprechend kontinuierlich ab. Die Ersetzungen einer nördlichen durch eine kleverländische Variante (5 Fälle, Punkt 5.) erfolgen überwiegend im 15. Jh.: in der 2. Hälfte des 14. Jhs. (‘erste’), in F1 (‘Bruder’, ‘Brüder’) und im letzten Drittel des 15. Jhs. (‘offen’, ‘über’). So ist die Zahl der westlichen Varianten zwar am Ende des 15. Jhs. um 17 auf 49 gestiegen, doch die bewahrten ijsselländisch-westfälischen und die regionalen ijsselländischen Varianten im Verein mit den neuen kleverländischen halten weiterhin den Eindruck einer eigenen, nichtholländischen Regionalsprache aufrecht.
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Literatur
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‘Katalog sprachlicher Merkmale zur variablenlinguistischen Erforschung des Mittelniederdeutschen.’ Niederdeutsches Wort 27: 61-93, 28: 75-106, 30: 1-17. |
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‘Zur frühmittelniederdeutschen Urkundensprache Osnabrücks. Variablenlinguistische Untersuchung einer ostwestfälischen Stadtsprache.’ Niederdeutsches Wort 27: 131-162. |
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Weber, Ulrich |
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2003, |
Die mittelniederdeutsche Schreibsprache Osnabrücks. Variablenlinguistische Untersuchungen zum Nordwestfälischen. Köln, Weimar, Wien (Niederdeutsche Studien 45). |
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voetnoot(1)
- Kapitel 1. folgt der ausführlicheren Darstellung bei Fischer/Peters 2004.
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voetnoot(2)
- Pieter van Reenen hat dem Atlas u.a. 27 Zwoller Urkunden des 14. Jahrhunderts zur Verfügung gestellt. Dafür sei ihm herzlich gedankt.
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voetnoot(3)
- ‘De eerste Zwolse oorkonde in de volkstaal dateert van 3 Februari 1327. Zij bevat een belofte van de stad Zwolle om de bisschop van Utrecht in de oorlog bij te staan’ (Slicher van Bath 1949, 191). Diese Urkunde wurde nicht aufgenommen, da sie nicht innerstädtisch ist. Die erste Urkunde des Korpus datiert vom 21. Februar 1335.
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voetnoot(4)
- Zugrunde liegt der Variablenkatalog Peters' 1987, 1988, 1990 mit der dort angegebenen Literatur sowie Peters 1995.
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voetnoot(5)
- An Abkürzungen werden benutzt: F1 = 1. Fenster (1446-1455), F2 = 2. Fenster (1491-1500). In Klammern gesetzte Ziffern geben die Häufigkeit eines Belegs an.
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voetnoot(6)
- Vgl. die Schreibung derp im Deventer Endechrist, Peters 1984b, XL.
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voetnoot(7)
- Zur Westgrenze des Einheitsplurals vgl. Goossens 1991, 109ff.
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