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'Himmel, Höllen und Paradiese in Sanct Brandans "Reise"' (1999)

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'Himmel, Höllen und Paradiese in Sanct Brandans "Reise"'

(1999)–Clara Strijbosch–rechtenstatus Auteursrechtelijk beschermd

Vorige
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Himmel, Höllen und Paradiese in Sanct Brandans ‘Reise’.

Clara Strijbosch, Utrecht

Abstract

Die himmlischen Jenseitsorte und die beiden Höllen, die in ‘Brandans Reise’ (12. Jh.) beschrieben sind, werden in diesem Aufsatz in ihren literarischen und theologischen Kontext eingebettet. Gezeigt wird, dass die in der Exposition genannten ‘zwei Paradiese und drei Himmel’ tatsächlich in der Binnengeschichte figurieren, und dass der Autor der ‘Reise’ diese Vorstellungen nicht Johannes Scotus Eriugenas Schriften entnommen hat. Merkwürdige Phänomene wie ein ‘Engelparadies’ und ein ‘Höllensee’ werden erklärt.

 

In this article, the heavenly places and the two hells which are described in ‘Brandans Reise’ (12th century) have been placed in their literary and theological context. It is shown that the ‘two paradises and three heavens’ which are mentioned in the introduction of the story do feature in the story proper and that the author of the ‘Reise’ did not derive these notions from the works of Johannes Scotus Eriugena. Strange phenomena such as a ‘paradise of angels’ and an ‘infernal lake’ are also clarified.

Einführung

Das Mittelalter hat mit dem Jenseits gelebt. Die christliche Eschatologie unterscheidet zwei Extreme: Himmel und Hölle. Daneben gab es eine Fülle von ‘Zwischengebieten’, die im 12. Jahrhundert zusammengeballt im Fegefeuer, Bußort zwischen Himmel und Hölle, konkretisiert wurden. Die Rolle des Paradieses ist immer unklar gewesen. Weil das Paradies nicht der Bestimmungsort für Seelen nach dem irdischen Leben ist, kann es eigentlich nicht als Jenseitsort gesehen werden. Trotzdem wird es in Spekulationen über Aufenthaltsorte nach dem Tod immer wieder genannt.Ga naar voetnoot1 Einer der Texte, in denen die Ideen über Jenseitsorte in fiktionaler Form vergegenständlicht sind, ist ‘Brandans Reise’, die an Jenseits-Motiven besonders reich ist. Der Autor dieses mutmaßlich um 1150 im Rheinland enstandenen Textes hat es seinem Publikum nicht leicht gemacht: Viele Phänomene der diesseitigen und der jenseitigen Welt werden nicht namentlich genannt, so dass oft erst eine Erhellung der Tradition und des Kontextes klarlegt, was gemeint ist. In diesem Aufsatz werden Vorstellungen und

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Ideen in bezug auf konkrete Jenseitsstätten in der ‘Reise’, d.h. auf Himmel, Höllen und das irdische und das himmlische Paradies untersucht. Unbesprochen bleiben jene Jenseitsorte, die als ‘Zwischenzustände’ bezeichnet werden können. Sie sind fast nirgendwo im Text als materielle, sichtbare Jenseitsorte wie Himmel, Höllen und Paradiese konkretisiert, sondern sind irdischen Bußstätten ähnlich.Ga naar voetnoot2

 

Die ursprüngliche ‘Reise’-Fassung des 12. Jhs. ist verlorengegangen. Überliefert ist die Geschichte in zwei späteren mnd. gereimten Fassungen, C und H, zwei gereimten dt. Fassungen M und N und der deutschen Prosa-Fassung P.Ga naar voetnoot3 ‘Reise’ steht im Folgenden für das verlorene Original aus dem 12. Jh. In der Exposition der ‘Reise’ wird erzählt, dass Brandan ein Buch verbrennt, weil er nicht an die darin beschriebenen Wunder glauben will. Um für seinen Unglauben zu büssen, wird er von Gott auf eine Reise geschickt, damit er mit eigenen Augen sieht, was wahr ist und was gelogen. Tatsächlich sieht er unterwegs, wie er im verbrannten Buch gelesen hatte, einen Fisch, der einen Wald auf dem Rücken trägt, Judas, der am Sonnabend durch Gottes Gnade außerhalb der Hölle verbleibt und er hört Getöse von Menschen und Vieh unter dem Meeresspiegel, das möglicherweise

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von einer Welt unter dieser Welt herrührt.Ga naar voetnoot4 Auf Grund der ziemlich genauen Übereinstimmung zwischen dem, was Brandan liest, und dem, was er sieht, wird man vermuten, dass alles, was er im gelesenen Buch findet, auch in irgendeiner Form in der Geschichte auftaucht. Brandan liest im Buch über ‘zwei Paradiese auf Erden’ und ‘drei Himmel!’.Ga naar voetnoot5 Diese Mitteilung hat Verwirrung und Spekulationen ausgelöst. H. Oskamp schreibt, dass er ‘die drei Himmel gar nicht findet,’ und fügt hinzu ‘die zwei Paradiese bereiteten mir auch Schwierigkeiten.’ W.P. Gerritsen geht davon aus, dass es in der ‘Reise’ ‘nur einen Himmel gibt’, und B. Haupt schreibt etwas vage ‘Die in der Exposition aufgelisteten Wunder werden in den Episoden der Binnenerzählung nur in etwa wieder aufgenommen’, was sie vor allem auf Paradiese und Himmel bezieht.Ga naar voetnoot6 Eine einfache Lösung des Problems, die angekündigten zwei Paradiese auf Erden und die drei Himmel in der ‘Reise’ zu entdecken, wäre, dass Exposition und Binnenerzählung einfach nicht übereinstimmen, oder sogar dass der Autor der ‘Reise’ die Struktur seiner Geschichte nicht so genau vor Augen hatte.Ga naar voetnoot7 Beim Studium der mittelalterlichen Vorstellungen in bezug auf die Jenseitsepisoden der ‘Reise’ ist es trotzdem möglich, in der Binnenerzählung zwei Paradiese auf Erden und die drei Himmel zu entdecken - sie werden im ersten Teil dieses Aufsatzes beschrieben. Der zweite Teil ist den beiden im Text beschriebenen Höllen gewidmet.

Drei Himmel und zwei Paradiese

Die ersten ‘Reise’-Episoden, die möglicherweise Paradiese oder Himmel beschreiben, sind ‘die erste Burg’, ‘die zweite Burg’ und ‘Entführung des Zaumdiebes’.Ga naar voetnoot8 In ‘die erste Burg’ wird erzählt, wie Brandan und seine Mönche auf ei-

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ner Insel, auf der tiefe Finsternis herrscht, ankommen; durch den Boden hindurch schimmert der Glanz von Gold und Edelsteinen. Dort sehen sie eine wunderschöne glänzende Burg, in der eine Quelle entspringt mit Öl, Honig, Milch und Wein (oder, in den Fassungen C (745-47) und H (714-16), statt Milch und Wein, Balsam und Sirup), wo ringsum wunderschöne Zedern (oder, in den Fassungen M 491, PA 170, 3, Ph 130, Sessel) stehen.Ga naar voetnoot9 Einer der Mönche ist nicht imstande, der Versuchung zu widerstehen: In einem Saal raubt er unbemerkt einen herrlichen Pferdezaum.

 

Etwas weiter sehen die Reisegenossen eine Burg, die sogar noch schöner ist als die erste. Das ganze Land leuchtet durch den Glanz der Mauer, die so hoch ist, dass sie den Sims nicht sehen können. Immer herrscht dort herrliches Wetter. Wind, Regen und Schnee sind unbekannt. Vor dem Burgtor sitzt ein alter Mann, Henoch, unter dem Tor sitzt Elia, und in der Nähe steht ein junger Mann mit einem flammenden Schwert.Ga naar voetnoot10 Plötzlich wird einer von Brandans Mönchen ergriffen und durch das Tor in die Burg geschleppt; das Tor wird geschlossen.Ga naar voetnoot11 Traurig verlassen Brandan und seine Mönche den Ort. Aus der Finsternis herausgekommen sehen sie, dass der Boden aus Gold ist. Sie nehmen das Gold mit. Als sie wieder bei ihrem Schiff angekommen sind, wird der Zaumdieb von einem Teufelsheer zur Hölle geschleppt. Gottes Stimme sagt Brandan, dass dies eine gerechte Strafe für Diebstahl sei: Adam sei für einen einzigen gestohlenen Apfel in die Hölle geworfen worden. Nach Brandans Flehen und Weinen wird der Zaumdieb auf Gottes Befehl wieder ins Schiff geworfen. Dann fahren sie weiter.

 

Es gibt in den Texten einige Hinweise auf den paradiesischen Charakter dieser Orte: Als ons die bouc maect wijs, /So was dit deertsche paradijs (v. C 861-62); Da verstund sand brandon wol, das es ein paradeiss was (PA 171, 1-2, Ph 132 ähnlich). Die Kapitelüberschrift in PA über diesem Teil lautet: Hie kom sand Brandon zu dem irdischem paradeisz (PA 169, 13). In diesen Episoden ist tatsächlich das irdische Paradies zu erkennen, wie es sich in der westeuropäischen Tradition ausgeformt hatte. Diese Tradition wurzelt in Bibelstellen wie Genesis 2:8-12, wo erzählt wird, dass Gott einen Garten in Eden eingerichtet habe, irgendwo im Osten, mit herrlichen Bäumen, dem Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis. Ein Fluss aus diesem Garten teilt sich in vier Ströme, die jeweils in Länder reich an Gold und Edelsteinen fließen. Andere Aspekte fand

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man im Hohelied, wo die Geliebte ein Garten genannt wird, voller Fruchtbäume, Kräuter, Myrrhe, Balsam, Honig und Milch (Hohelied 4:12-15 und 5:1).

 

Das biblische Vorbild einer paradiesischen Stadt war das Himmlische Jerusalem: Eine goldene Stadt, strahlend wie Kristall, erleuchtet durch Gottes Glanz und umgeben von einer hohen Mauer mit zwölf Toren. Durch die Stadt fließt das Wasser des Lebens, umsäumt von Bäumen, die jeden Monat Frucht tragen (Apoc. 21:10ff und 22). Dieses Element war Ausgangspunkt für Ergänzungen, in denen vor allem das Fehlen von irdischen Gebrechen betont wurde. In mittelalterlichen Paradiesen gibt es gewöhnlich einen Überfluss an Nahrung, und es herrscht ewiger Frühling. Schmerz, Erschöpfung, Kälte und Schnee sind unbekannt. Augustinus' Interpretation im Literalsinn dieser biblischen Paradies-beschreibung in seinem ‘De genesi ad litteram’ ist für die westliche Paradiestradition richtunggebend gewesen. Für Augustinus war das Paradies ein Garten, der historische Wirklichkeit war und wo der erste Mensch tatsächlich gelebt hat.Ga naar voetnoot12 Konsequenz dieser Auffassung war die Frage, ob dieses irdische Paradies nach der Vertreibung der ersten Menschen immer noch vorzufinden sei. Das Mittelalter hat diese Frage meistens bejahend beantwortet. Irgendwo im Osten gäbe es einen Garten, fast unerreichbar wegen seiner Lage auf einem hohen Berg (weswegen die Sintflut ihn nicht vernichtet hätte), bewacht von einem Engel mit einem flammenden Schwert (Gen. 3:24), vielleicht auch, wie in irischer Literatur erzählt wird, umgeben von finsteren Nebeln.Ga naar voetnoot13

 

Die beiden Paradiesburgen auf der von Finsternis umgebenen Insel in der ‘Reise’ weisen viele Elemente aus dieser Paradiestradition auf: Der herrliche Garten mit Fruchtbäumen; eine Quelle oder ein Fluss, der sich in vier Ströme mit Balsam, Honig, Wein oder Milch teilt; das Glänzen des Goldes, der Edelsteine und des Kristalls; die zweite Burg mit der Mauer, deren Glanz sich über das ganze Land verbreitet, und nichtbiblische Aspekte wie das immerwährende herrliche Wetter. Der junge Mann mit dem Schwert vor der zweiten Burg ist der Wächter-Engel aus Genesis. Sogar der Diebstahl in der ersten Burg referiert an das fatale Geschenen im biblischen Paradies. Brandan wird, als er seinen Zaumdieb zu befreien versucht, an den Biss in den Apfel durch Adam und Eva erinnert. Auch Henoch und Elia, die beiden alten Männer, die sich in der Nähe der zweiten Paradiesburg befinden, gehören zur Paradiestradition. Über diese zwei Propheten wird in der Bibel gesagt, dass sie nie gestorben seien, sondern dass Gott sie aus dem irdischen Leben weggenommen habe (Gen. 5:23-24 und 4 Rg. 2, 11-12). Für die Bibelinterpretation im Literalsinn stellte sich die Frage, wo die beiden geblieben sind, weil es vor dem Kreuztod Christi unmöglich ge-

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wesen wäre, den Himmel zu betreten, während sie die Verurteilung zur Hölle auch nicht verdient hätten. Meistens war die Vorstellung, dass sie im irdischen Paradies weiterleben, bis der Antichrist sie in der Endzeit besiegen wird.Ga naar voetnoot14 Wie die Autoren von C und P kann man also zur Schlussfolgerung gelangen, dass in diesen Episoden ein irdisches Paradies beschrieben ist. Die Frage ist: ein Paradies oder zwei?

 

Diese Frage stellt sich nach der Lektüre einer anderen ‘Reise’-Episode, der ‘Vision’.Ga naar voetnoot15 In dieser Episode zeigt Gott Brandan singende Engel, die Seelen mitführen. Er sieht eine schöne Kirche (C und H; in M und N eine Burg) mit zehn Chören (C und H; in M mit zwölf Chören, in N mit zwölf Toren)Ga naar voetnoot16, die nie vernichtet werden kann und über die kein irdischer Mensch reden könnte. In C und H ist hinzugefügt, dass Gott Brandan aus Liebe diese Offenbarung geschenkt hat. Brandan meint, dass die Tatsache, dass er die zwei Paradiese beschrieben hat, seinem Elend ein Ende macht. Diese ‘Reise’-Episode unterscheidet sich von anderen Jenseitsbeschreibungen darin, dass Brandan keinen direkten Kontakt mit dem Ort hat. Er kann ihn nicht betreten, und er kann nicht mit den Einwohnern reden. Was er sieht, wird als eine Vision vorgestellt. Eine Kirche mit zehn Chören ist eine anschauliche Vergegenständlichung der Doktrine, dass Gott den Menschen geschaffen hätte, um als Ersatz für den zehnten Himmelschor von Luzifer und den Seinen nach deren Sturz zu funktionieren.Ga naar voetnoot17 Die Stadt mit zwölf Toren erinnert an das Gesicht vom Himmlischen Jerusalem in Apoc. 21:10-12.

 

Obwohl das Wort ‘Himmel’ in dieser ‘Reise’-Episode nicht vorkommt, gibt es verschiedene Elemente, die in diese Richtung weisen: der visionäre Charakter der Vorstellung; die singenden Engel, die Seelen mitführen; die Kirche mit zehn Chören oder die Burg mit zwölf Toren, und die Auffassung, dass Brandan Unsagbares sieht. Durchaus klar ist der Einfluss der bekannten biblischen Vision in einem Brief von Paulus, der anfängt: scio hominem in Christo ante annos quattuordecim/ sive in corpore nescio/ sive extra corpus nescio/ Deus scit - raptum eiusmodi usque ad tertium caelum. Dieser Mensch wird raptus [...] in paradisum/ et audivit arcana verba quae non licet homini loqui (2 Cor. 12:2-4); der

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letzte Satz wird reflektiert in der Mitteilung in der ‘Reise’, dass kein Mensch darüber reden könnte, was Brandan sieht. Die Worte des Paulusbriefes standen am Beginn der ‘Visio Pauli’, der ursprünglich griechischen Vision, die in lateinischen und später volkssprachlichen Übersetzungen einen großen Einfluss auf westeuropäische Jenseitsvorstellungen ausgeübt hat. In dieser Vision erzählt der Apostel Paulus qui dum in <cor>pore essem <in> quo raptus sum usque ad tercium celum. Dort sieht er die Gerechten, und danach besucht er Paradies und Hölle.Ga naar voetnoot18 Obwohl in der Einleitung zweimal die Rede vom tercium celum ist, besucht Paulus den Himmel. Seine Worte über den dritten Himmel haben im Mittelalter vielen Theologen Kopfzerbrechen bereitet. Die Verwirrung war umso größer, weil in den Paulusbriefen 2 Cor. einmal vom dritten Himmel gesprochen wird und, als ob es das gleiche wäre, einmal vom himmlischen Paradies. Dieses Paradies könnte unmöglich das irdische Paradies sein. Dass es ein himmlisches Paradies gab, wurde auch konkludiert aus Christus' Worten zum Schächer, als er am Kreuz hing: ‘Hodie mecum eris in paradiso’ (Luc. 23:43). Die Begriffe ‘Himmel’, ‘dritter Himmel’ und ‘himmlisches Paradies’ wurden oft miteinander verbunden, aber die Verhältnisse sind nie ganz klar geworden. Manche Theologen unterschieden den ‘dritten Himmel’ und ‘himmlisches Paradies’, aber z.B. Augustinus war der Ansicht, dass diese dasselbe bezeichneten.Ga naar voetnoot19 Wahrscheinlich ist also, dass in der ‘Reise’-Episode mit singenden Engeln Brandan den Himmel sieht, und dass der Autor diesen Himmel ‘drei Himmel’ genannt hat. Im Lichte der Unsicherheit der Theologen ist verständlich, dass der Autor sich nicht auf eine Auseinandersetzung über die Himmelssphären eingelassen hat.Ga naar voetnoot20

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Wenn die ‘singende Engel’-Episode auf die drei Himmel, die Brandan sehen wird, bezogen werden kann, ist ein Problem der ‘Reise’-Exposition gelöst, aber deutlich ist noch nicht, wo man sich die angekündigten zwei Paradiese denken soll. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die zwei Paradiesburgen gemeint sind. Soweit das aus dem Text zu schließen ist, befinden die beiden Burgen sich auf einer einzigen, von Finsternis umhüllten Insel, und sowohl in C als auch in P werden sie als ‘das Paradies’, nicht als ‘die Paradiese’ bezeichnet.Ga naar voetnoot21

 

Die zweite Lösung, dass beide Burgen zusammen als ein Paradies gesehen werden, und die Himmel als das zweite, himmlische Paradies, wird suggeriert durch den Schluss der ‘singende Engel’-Episode in Fassungen C und H:

 
Doe Brandaen, die Gods deghen,
 
Te rechte hadde al bescreven
 
Die twee scone paradise,
 
Doe waende die goede wise,
 
Die Gods dienare,
 
Dat hi al quite ware
 
Van des waters aerme scaren
 
Ende hi te lande soude varen.
 
(C 1137-44; H 1082-89 ähnlich)

Wenn man konkludieren will, dass die Himmelsvision das zweite Paradies der Exposition beschreibt, ergibt sich das Problem, wo man sich die angekündigten ‘drei Himmel’ vorstellen soll, weil es in weiteren ‘Reise’-Episoden nichts mehr gibt, das ein (oder drei) Himmel sein könnte. Außerdem wäre es eine merkwürdige Verdopplung, wenn der Autor in der Exposition drei Himmel und zwei Paradiese ankündigen würde, die im Text identisch wären, und unverständlich wäre dann auch, dass diese zwei Paradiese nach der Exposition auf der Erde liegen würden. In diesem Fall würde man zurecht urteilen, dass der ‘Reise’-Autor Exposition und Binnengeschichte nicht ganz genau aufeinander abgestimmt hat. Zu vermuten ist, dass der Autor der vor C und H liegenden Fassung C/H die zitierten Verse eingefügt hat (vielleicht, weil er die Vision-Episode als eine Beschreibung des himmlischen Paradieses betrachtet hat).Ga naar voetnoot22 Der Autor der ursprünglichen ‘Reise’ hat wahrscheinlich etwas anderes vor Augen gehabt.

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Die ‘Reise’ enthält nach dem ‘singenden Engel’ keine Himmelsepisoden mehr, aber es gibt am Ende noch einen Textteil, der paradiesische Züge aufweist: die sehr lange Episode, in der die Begegnung von Brandan mit den sog. Walscheranden beschrieben wird.Ga naar voetnoot23 Hier wird erzählt, wie Brandan und seine Mönche im immergrünen Multum Bona Terra eine hochgelegene, kristallglänzende Burg besuchen, in der sie Betten, Nahrung im Überfluss und einen wunderschönen Garten finden. Die anfangs abwesenden Bewohner sind die Walscheranden, Mischwesen mit Schweinsköpfen, Hundepfoten, Kranichhälsen, gekleidet in seidene Gewänder. Diese Ungeheuer erzählen, dass sie Engel seien, die mit Luzifer zusammen aus dem Himmel gefallen sind. Weil sie aus Gleichgültigkeit im Konflikt zwischen Luzifer und Gott nicht Partei ergriffen hätten, seien sie nicht in die Hölle geschickt worden, sondern hätten ihr schönes Land bekommen.

 

In diesem herrlichen Land ist die Erinnerung an die Paradiesinsel mit den zwei Burgen so stark, dass Brandan (oder der Zaumdieb) eine Warnung gegen teuflische Verführung ausspricht.Ga naar voetnoot24 Paradiesisch sind Elemente wie der Überfluss an Früchten, Speisen und Getränken, die Tatsache, dass die Mönche ihre Müdigkeit verlieren, sowie die schwere Erreichbarkeit des Landes. Die Beschreibung der Walscherandenburg - glänzend in der Sonne, auf einem hohen Berg - erinnert an das Himmlische Jerusalem. Diese Erinnerung wird durch den Namen Mons Sion, die biblische Bezeichnung für das irdische und das himmlische Jerusalem, verstärkt.Ga naar voetnoot25 Ebenso wie im himmlischen Jerusalem die Strassen aus Gold sind, durchsichtig wie Glas (Apoc. 21:21), sind die Fußböden der Burg golddurchtupft.

 

Aber nirgendwo in der Bibel gibt es einen Hinweis darauf, dass das Paradies oder das himmlische Jerusalem durch gestürzte Engel bewohnt seien, und für die Auffassung, dass es Engel gäbe, die keine Stellung bezogen hätten im Konflikt zwischen Gott und Luzifer, gibt es kaum biblische Anhaltspunkte. Die Idee der neutralen Engel ist eine wenig orthodoxe, aber immer wieder auftauchende Vorstellung gewesen. Schon in Clemens' von Alexandrien ‘Stromata’ wird gesagt, dass manche Engel auf die Erde gestürzt sind hupo rathumias (aus Gleichgültigkeit), weil es ihnen nicht gelungen sei, einen Zustand der Einheit zu erreichen.Ga naar voetnoot26 Mehr als elf Jahrhunderte später befinden sich in Dantes ‘Divina

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Commedia’ Seelen von denjenigen, die ohne Ehre und ohne Schande gelebt haben, in einer Vorhalle der Hölle in Gesellschaft der angeli che non furon ribelli/ né fur fedeli a Dio.Ga naar voetnoot27

 

Über Paradiese wird in diesen Texten nicht gesprochen: Die neutralen Engel befinden sich bestenfalls auf Erden, aber vielleicht auch in der Vorhalle der Hölle. Neutrale Engel auf einer paradisischen Insel gibt es in der ‘Navigatio Sancti Brendani Abbatis’, die eine wichtige Quelle der ‘Reise’ gewesen ist. In diesem, wahrscheinlich in irischen Kreisen auf dem Kontinent (oder in Irland)Ga naar voetnoot28 geschriebenen Text wird erzählt, wie Brandan eine Insel mit einem Riesenbaum voller weißer Vögel besucht. Einer der Vögel erklärt, dass sie Engel seien, die mit Luzifer aus dem Himmel stürzten: Nos sumus de illa magna ruina antiqui hostis, sed non peccando in eorum consensu fuimus. Sed ubi fuimus creati, per lapsum illius cum suis satellitibus contigit et nostra ruina. Weil sie keine Sünde begangen hätten, erlitten sie keine (höllische) Strafe. An Sonn- und Feiertagen erhalten sie Vogelgestalt, so dass sie Gottes Lob singen können, aber sonst, sagen sie [V]agamur per diuersas partes aeris et firmamenti et terrarum, sicut alii spiritus qui mittuntur.Ga naar voetnoot29 Wie die Walscheranden in der ‘Reise’ sind diese ehemaligen Engel bei Luzifers Sturz aus dem Himmel verbannt, aber nicht in die Hölle geschickt worden. Sie schweben irgendwo zwischen Himmel und Erde, aber am Sonntag verbleiben sie als Vögel psalmsingend auf einer herrlichen blumenreichen Insel, paradysus auium (‘Navigatio’ c. 9, Z. 39-40) genannt. In ‘De

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ordine creaturarum’, einer wahrscheinlich im 7. Jh. in Irland geschriebenen Abhandlung wird über Aufenthaltsorte der Engel gesagt:

ita et angelos, qui in superiore etiam aeris ipsius puriore spatio peccasse putantur, in inferiorem et ipsi aeris huius obscurioris et turbulentiorem locum deturbati de superni et puri aeris suaeque dignitatis felicissima sede, misere et infeliciter sub exspectatione futuri examinis in quo durius damnabuntur uiuere aestimantGa naar voetnoot30

Hieraus kann geschlossen werden, dass es zwischen Himmel und Erde eine höhere, stabile und eine niedere, instabile Zone gibt. Engel befinden sich im himmlischen Paradies, aber auch zwischen Himmel und Erde, und letztere sind in ihrem Sturz in den niederen Teil, in die Nähe der Erde, geraten. Hier leben sie in Abwartung des Jüngsten Gerichts. Anscheinend hat die Vorstellung von einem Aufenthaltsort der neutralen Engel in Kreisen irischer Denker zirkuliert. In der offiziellen Theologie ist sie nie sanktioniert worden.Ga naar voetnoot31 Im Lichte der Vorstellung des paradysus auium der halbwegs gestürzten Engel in der ‘Navigatio’ scheint es nicht abwegig, auch im Multum Bona Terra der Walscheranden der ‘Reise’ ein Paradies für neutrale Engel zu sehen, obwohl es trotz aller Herrlichkeit für die Bewohner ein Ort der Verbannung ist.Ga naar voetnoot32

 

Wenn man das Land der Walscheranden als ein Paradies sieht, könnte dies das zweite Paradies auf Erden sein, das in der Exposition der ‘Reise’ genannt wird. Das erste Paradies müsste dann die Insel mit den beiden Burgen sein, und die Singende-Engel-Vision entspricht den angekündigten drei Himmeln. Auf diese Weise interpretiert sind Binnengeschichte und Exposition unmittelbar aufeinander bezogen.

 

In einem Aufsatz über die Quellen der ‘Reise’ und der ‘Navigatio’ hat L. Peeters sich mit der Herkunft der Paradies-Auffassungen in beiden Texten beschäftigt. Seiner Meinung nach hätten die alten Bücher, die Brandan in der Exposition der ‘Reise’ liest, die Paradiesauffassung des irischen Philosophen Johannes

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Scotus Eriugena (ca. 810-870) enthalten: auch Eriugena erwähnt zwei Paradiese und drei Himmel.Ga naar voetnoot33 Obwohl dies zutrifft, ist es sehr unwahrscheinlich, dass gerade Eriugena den ‘Reise’-Autor beeinflusst hätte. Eriugena hat einen abweichenden Standpunkt in der westeuropäischen Paradiesdebatte vertreten.Ga naar voetnoot34 In seinem ‘Periphyseon’ (auch bekannt als ‘De divisone naturae’) behauptet er, dass das Paradies keine historische Realität sei. Es sei unsinnig, Genesis ad litteram zu lesen:

[...] paradisum non localem terrenumue quendam locum esse nemorosum, sed spiritualem, germinibus uirtutum consitum, et in humana natura plantatum, et, ut apertius dicatur, non aliud praeter ipsam humanam substantiam ad imaginem dei factam [...]. [...] Apostolus ait: Littera occidit, spiritus autem uiuificat. In hoc paradiso, intelligibili incessu deus deambulatGa naar voetnoot35

Eriugena ist der Meinung, dass das Paradies spirituell gedeutet werden muss als den vollkommenen Zustand des Menschen vor dem Sündenfall, einen Zustand, den man anstreben soll. Auch dort, wo er drei Himmel erwähnt und damit das himmlische Paradies meint, ist seine Deutung spirituell:

Denique iusti in paradisum saepe rapiuntur, sicut Paulus raptus est in paradisum et audiuit uerba ineffabilia. Et tu, si a primo caelo ad secundum caelum, et a secundo ad tertium mentis tuae uigore rapiaris (quia primum unusquisque homo est corporalis, secundo animalis, tertio spiritualis), ita rapieris ad tertium caelum, ut uideas fulgorem gratiae spiritualis (animalis enim homo quae sunt spiritus dei nescit; et ideo tertii caeli ascensio tibi est necessaria ut rapiaris in paradisum)Ga naar voetnoot36

Weniger erdgebunden kann das Paradies nicht sein. Mit seiner Erklärung stellt sich Eriugena herrschenden Meinungen entgegen, vor allem der des Augustinus in De genesi ad litteram. Er ist sich der Unorthodoxie seiner Ideen völlig bewusst gewesen, und sagt denn auch, vorsichtig aber durchsichtig Neque enim duos paradisos esse, unum quidem corporalem, alterum uero spiritualem negamus, nec affirmamus. Sanctorum autem patrum solummodo sententias interim inter nos conferimus. Qui autem magis sequendi sunt, non est nostrum iudicare.Ga naar voetnoot37

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Trotzdem lässt er keine Missverständnisse darüber bestehen, dass das Paradies nie historische Realität gewesen sein könne, und dass es spirituell gedeutet werden sollte.

 

In der ‘Navigatio’ ist der von Peeters vermutete Einfluss Eriugenas keineswegs undenkbar, aber es ist schwer vorstellbar, wie sich der Autor der ‘Reise’ - inspiriert durch Eriugenas Schriften - Brandan und seine Mönche in einem irdischen Paradies vorstellen könnte. Eriugena leugnet die Existenz eines materiellen Paradieses. Dagegen sind die Paradiesinseln in der ‘Reise’ sehr konkrete Orte, die nicht nur Realität gewesen sind, sondern die es immer noch irgendwo auf Erden gibt. In den Paradiesen der ‘Reise’ leben Propheten und Engel, man kann dort zwischen Bäumen und Blumen spazierengehen und Gold für Kirchen in der Heimat mitnehmen. Wenn das Buch, das Brandan ins Feuer geworfen hat, Eriugenas ‘Periphyseon’ gewesen wäre wie Peeters suggeriert (S. 175-76), würden die Paradiese, die Brandan in der ‘Reise’ besucht, ihn keineswegs davon überzeugen, dass dieses Buch die Wahrheit enthielte. Umgekehrt würde Eriugena entsetzt sein über eine so materielle Aufarbeitung seiner Auffassungen. Es ist auch nicht nötig, die Quellen der ‘Reise’ so weit zu suchen: die zwei Paradiese und drei Himmel können auf Grund der westeuropäischen Paradiestradition mit zusätzlichen irischen Ideen über neutrale Engelparadiese, befriedigend erklärt werden.

Die zwei Höllen

Weniger kompliziert als die Vorstellung der Paradiese und Himmel ist die schwarze Seite des Jenseits. Alles, was in der Exposition der ‘Reise’ aufgelistet wird, ist in der Binnengeschichte zu finden. Aber vieles, was in der Binnengeschichte vorkommt, wird in der Exposition nicht angekündigt. Höllen werden in der Exposition nicht genannt, obwohl es in der ‘Reise’ zwei Höllen-Episoden gibt. In der ersten Episode wird erzählt, dass Brandan Seelen sieht, die auf einem See laufen.Ga naar voetnoot38 Diese erklären, dass sie sich in diesem Zustand befinden, weil sie den Armen Essen vorenthalten haben. Sie leiden Durst in der Hitze, und trotz der Nähe des Sees können sie nichts trinken. Sie bitten Brandan, ihnen zu helfen, und nach einem Gebet des Heiligen gestattet Gott den Seelen, einmal das Haupt anzufeuchten und einen Schluck zu trinken. In den mittelniederländischen Fassungen C und H wird hinzugefügt, dass es die Seelen von Truchsessen und Mundschenken sind, und dass ihr Zustand besser wäre, wenn sie den Armen Labung gegeben hätten.

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Schlimmer noch ist die Lage in der zweiten HölleGa naar voetnoot39, einem nebligen glühenden Berg, wo Seelen wehklagen und mit den Zähnen knirschen. Einer der Teufel erklärt Brandan, dass dort ungerechte Richter für ewig bestraft werden. Sie hätten nie etwas Gutes getan, und könnten also nicht erlöst werden. Brandan vermag nichts für sie auszurichten. Auch hier gibt es Zusätze in C und H: neben ungerechten Richtern werden ungerechte Herren, Frauen, Verwalter und daneben Verräter, Hochmütige und Habgierige genannt, die für ewig bestraft werden.Ga naar voetnoot40

 

Der auffallendste Unterschied zwischen beiden Höllen ist, dass im Fall der durstenden Seelen Brandan imstande ist, die Strafe etwas zu erleichtern, während für die Ungerechten in der zweiten Hölle Erleichterung des Leidens unmöglich ist. Der Grund dieser Unversöhnlichkeit ist nicht ganz klar. In Fassungen M und N heißt es, dass diese Leute nie etwas Gutes getan hätten (M 454, N 369), in C und H, dass sie nicht aufgehört hätten zu sündigen und nicht um Vergebung gebeten hätten. Diese Aussagen sollen vielleicht ausdrücken, dass die Ungerechten neben ihren Übeltaten die Sünde der obstinatio begangen hätten: das Beharren in der Sünde. Das würde bedeuten, dass - weil sie nie etwas Gutes getan und nicht um Vergebung gebeten hätten - jede Art von Gnade für sie unmöglich wäre. Obstinatio wurde als eine Sünde wider den Heiligen Geist gesehen, eine Sünde, die unverzeihlich war, im irdischen und im jenseitigen Leben.Ga naar voetnoot41 Wie jämmerlich der Zustand der Seelen in der ersten Hölle auch sei, sie genießen wenigstens eine einmalige Erleichterung.

 

Außer der (Un)möglichkeit der Straferleichterung scheinen auch die geographischen und materiellen Umstände in den beiden Höllen unterschiedlich zu sein. Merkwürdig ist die Vorstellung, dass in der ersten Hölle Seelen auf einem See laufen, aus dem sie keinen Tropfen trinken können, eine Vorstellung, die durch Holzschnitte in ‘Reise’-Drucken der Fassung P des 15. Jhs. konkretisiert wird.

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illustratie
Illustration 1: Dürstende Seelen irren auf einem See. Holzschnitt in ‘Die wunderbare Meerfahrt des heiligen Brandan’, Matthis Hupfuff, Strassburg, 1499.


Wie Darstellungen des Himmels und der Paradiese, ist auch dieses Höllenbild anhand von mittelalterlichen Vorstellungen zu erklären. Über die Hölle herrschte viel Uneinigkeit, aber Autoren waren sich wohl mehr oder weniger einig über ihre Lage: Sie befand sich unter der Erde, oder, wie der Theologe Robertus Pullus sagte: Infernus equidem locus est tam deterior terra quam inferior [...].Ga naar voetnoot42 Diese Idee wurde durch die mittelalterliche Tendenz zur etymologischen Deutung unterstützt, so dass infernum verbunden wurde mit infra.Ga naar voetnoot43

 

Aus den Psalmen wurde eine andere Bezeichnung der Hölle entlehnt. Auf Grund des Psalmverses posuerunt me in lacu inferiori/ in tenebrosis et in umbra mortis (Ps. 87, 7-8) hat man angenommen, dass lacus ein Name für die ‘Hölle’ sei, wie z.B. Hrabanus Maurus (9 Jh.) in seiner enzyklopädischen Schrift ‘De universo’ (11, 8, Hg. PL 111, 317 A) schreibt: Lacus enim generali vocabulo [...] pro inferno ponitur. Außerdem führte die Bibelinterpretation im Literalsinn zu plastischen Vorstellungen der Hölle. Angeregt vom Psalmvers et eruisti animam meam ex inferno inferiori (Ps. 85, 13) hat Augustinus mit unwiderlegbarer Logik konkludiert: Eruisti animam meam ex inferno inferiore, intellegi-

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mus tamquam duo inferna esse, superius et inferius; nam unde infernum inferius, nisi quia est infernum superius? Aliud non diceretur infernum, nisi in comparatione illius superioris partis.Ga naar voetnoot44 Diese Erklärung der Existenz einer unteren und einer höheren Hölle führte natürlich zu neuen Problemen angesichts der Lokalisierung der beiden Höllen. Eine der Lösungen war, dass die obere Hölle nicht unter, sondern auf der Erde läge, irgendwo in einer Tiefebene in abgelegenem Gebiet. In diesem Sinn schreibt z.B. Honorius Augustodunensis (12 Jh.) in seinem ‘Elucidarium’:

Duo sunt inferni: superior et inferior. Superior infima pars hujus mundi, quae plena est poenis [...]. Inferior autem locus spiritualis, ubi ignis inexstinguibilis [...]. Qui sub terra esse dicitur, ut, sicut corpora peccantium terra cooperiuntur, ita animae peccantium sub terra in inferno sepeliuntur, ut de divite dicitur: ‘Sepultus est in inferno’ (Luc., XVI, 22).Ga naar voetnoot45

Wahrscheinlich auch inspiriert durch einen Psalmvers ist die Idee der umherirrenden Seelen. Die Worte In circuitu impii ambulant (Ps. 11, 9) haben verschiedene mittelalterliche Abbildungen und Texte beeinflusst, wie auch Augustinus' Auslegung dieser Worte, dass es die durch Begierde Getriebenen sind, die umherirren: id est, in temporalium rerum cupiditate, quae septem dierum repetito circuitu, tamquam rota uoluitur.Ga naar voetnoot46 Andere konkrete Darstellungen der Hölle gibt es in Visionen. Die Qual dürstender Seelen wird beschrieben in der ‘Visio Pauli’, wo an einem der Straforte Sünder über einer Rinne, in der Nähe zahlloser Früchte hängen. Mit ihren lingue [...] siccae satis sind sie nicht mehr imstande, sich etwas davon zu nehmen. Es sind diejenigen, die das Fasten zu früh beendet haben und deswegen durch einen immerwährenden Mangel an Nahrung und Trank gequält werden.Ga naar voetnoot47 Diese Qual ruft sofort das Leiden von Tantalus in der ‘Odyssee’ (B. 11, Z. 582-92) in Erinnerung: In der Unterwelt steht Tantalus bis ans Kinn im Wasser, das weicht, sobald er etwas davon zu trinken versucht, und unter verlockenden Früchten, die seinem Griff entgehen, sobald er seine Hände ausstreckt. Die trockenen Zungen, die in der ‘Visio Pauli’ genannt werden, sind wahrscheinlich keine zufällige Eigenschaft, sondern sind inspiriert durch die biblische Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus

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(Luc. 16, 19-31, bes. 24-25). Hier wird erzählt, wie der reiche Mann, nach seinem Tode gequält durch schreckliche Flammen und Schmerzen, Abraham fragt, ob der in sinu eius aufgenommene arme Lazarus mit der Spitze seines in Wasser getauchten Fingers ihm doch die Zunge befeuchten wolle. Aber Abraham sagt dem Reichen, dass die Kluft zwischen ihm und Lazarus nicht mehr überbrückbar ist. Der reiche Mann war der Prototyp eines Sünders, der der Habgier schuldig war, die Sünde, die seit dem 11. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Geldökonomie und dem Wachsen des Handels, als Schlimmste angesehen wurde. Der reiche Mann wird in dieser Zeit mit Säcken voll Geld unter dem Tisch oder sogar unter dem Todesbett dargestellt.Ga naar voetnoot48 Einem Publikum des 12. Jhs. wird es nicht schwer gefallen sein, in den dürstenden Seelen, die sich nach einem Tropfen Wasser sehnen, die verhassten Habgierigen zu erkennen, umso mehr, weil die Seelen sagen, dass sie um eines geringen Vorteils willen die Armen benachteiligt haben, die niederträchtigste Ausprägung der Habgier.

 

Wahrscheinlich sind in die Vorstellung von der ersten Hölle in der ‘Reise’ verschiedene Höllenkonzepte eingegangen. Die Bezeichnung lacus und das Irren der Habgierigen aus den Psalmen liefern zusammen mit der in der ‘Visio Pauli’ beschriebenen ‘Tantalus’-Qual sowie der biblischen Geschichte von dem reichen Mann und dem armen Lazarus das einheitliche Höllenbild, das in ‘der Reise’ vorgestellt wird: ein See, auf dem Seelen, die, gequält von Durst, um einen Tropfen Wasser bitten, in unmittelbarer Nähe zu diesem umherirren. Möglicherweise kann der Begriff lacus mit der Vorstellung der oberen Hölle in Verbindung gebracht werden, die, wie Honorius Augustodunensis und andere meinen, nicht unter der Erde liegt, sondern in einem tieferen Teil der Erde.Ga naar voetnoot49 Es ist nur ein Schritt von demselben in den lacus. Es wäre diesem Gedankengang zufolge möglich, dass die obere Hölle mit einer ‘harmloseren Hölle’ verbunden ist, einem Strafort, der zwar schrecklich ist, aber nicht so ewig und unerbittlich wie die tiefere Hölle. Dies wäre für das 12. Jahrhundert eine naheliegende Vorstellung. In dieser Zeit wurden alle Denkansätze über möglicherweise weniger definitive Straforte als die Hölle im Fegefeuer imaginiert, dem Ort der zeitlich begrenzten höllischen Strafe, an dem Seelen ihre Sünden abbüßen. Über die Lokalisierung des Fegefeuers bestand Uneinigkeit, aber immer wieder situierte man die zeitlichen Bußorte auf Erden. Trotz des Widerstands der Theologen

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gegen Hoffnungen auf Straferleichterung in der Hölle sind in Visionen über Jahrhunderte hinweg die verschiedensten Varianten einer Erleichterung und Unterbrechung der Höllenstrafen zu finden.Ga naar voetnoot50 Obwohl der ‘Reise’-Text keine direkten Anweisungen dafür enthält, scheint es nicht unmöglich, dass der ‘Reise’-Autor die Vorstellungen des lacus und der Tantalusqual mit Auffassungen über die obere Hölle, die weniger abschreckend war als die tiefere, verbunden hat. Damit wäre die obere Hölle ein Schritt in Richtung des Fegefeuers.

 

Über die tiefere Hölle ist die ‘Reise’ nicht sehr explizit. Nur die Unmöglichkeit der Erlösung der Verdammten ist eine Tatsache. Sonst ist nicht klar, welche Strafen sie erleiden. Wie in der Vision des Himmels scheint es Brandan unmöglich zu sein, mit den Bewohnern zu reden. Er spricht nur mit einem Teufel. Vielleicht hat der Autor der ‘Reise’, mit Honorius Augustodunensis und vielen anderen, die tiefere Hölle als einen locus spiritualis gesehen. Scheinbar hat er gemeint, dass die extremsten Jenseitsorte, höchster Himmel und tiefste Hölle, nicht für menschliche Beobachtung zugänglich seien. Beweisbar ist nicht, dass der Autor der ‘Reise’ mit den zwei Höllen eine höhere, leichtere Hölle und eine tiefere, abschreckendere Hölle beschrieben hat. Dazu bieten die Texte zu wenig konkrete Hinweise. Klar ist, dass er Elemente aus verschiedenen Vorstellungen kombiniert hat, eine Arbeitsweise, die er öfters benutzt.

 

Eine vielleicht wichtige Quelle ist bisher nicht genannt worden: Die ‘Mittelfränkische Reimbibel’. Dieser Text (frühes 12. Jh.), in dem die Rede ist von zwo helle ande zwene paradise (V. 669), einer oberen und einer tieferen Hölle (V. 671-78) und von thrie himele (V. 6), ist stark beeinflusst durch das ‘Elucidarium’, wo gesagt wird: Duo sunt inferni: superior et inferior (III, 13, u. III, 22), Duae sunt beatitudines, una minor paradisi, altera maior caelestis regni (III, 106) und Tres caeli (I, 11).Ga naar voetnoot51 Barbara Haupt [Anm. 6, S. 326] ist der Meinung, dass die ‘Reimbibel’ als Quelle der ‘Reise’ anzusehen ist. Das legt ‘die Zuordnung der beiden volkssprachigen Texte zur rheinischen, speziell mittelfränkischen Literaturlandschaft nahe’ (S. 326). Sie setzt voraus, dass der Autor der ‘Reise’ nicht sehr gebildet war, und dass er in einer mündlichen Tradition gestanden hat. Deswegen habe er aus der volkssprachlichen ‘Reimbibel’, nicht aus

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dem lateinischen ‘Elucidarium’ entlehnt.Ga naar voetnoot52 Doch so ungebildet wird der ‘Reise’-Autor nicht gewesen sein. Die Weise, wie er die ‘Navigatio’ benutzt hat, ist kompliziert, aber es ist deutlich, dass er neben vielen anderen lateinischen und volkssprachlichen Quellen, diesen lateinischen Text angewendet hat.Ga naar voetnoot53 Das ‘Elucidarium’, das den genannten Sätzen in der ‘Reimbibel’ zugrundeliegt, war weitverbreitet und einflussreich. Es ist schwierig, bei derartigen Schriften und den dort verkörperten Ideen genaue Entlehnungen abzugrenzen. Der Einfluss der ‘Reimbibel’ ist wahrscheinlich, aber der Einfluss des ‘Elucidariums’ ebenso. Immer wieder zeigt der Autor der ‘Reise’ sich als ein Kompilator, der viele verschiedene, volkssprachliche und lateinische Traditionen selbständig und kreativ verarbeitet hat. Mit einem ‘Höllensee’, wo es Erleichterung der Strafe gibt, zwei Paradiesen auf der Erde, von denen eines als Aufenthaltsort für neutrale Engel gedacht ist, und eine Vision der ‘drei Himmel’ hat er aus traditionellen Elementen neue Vorstellungen geschaffen und so mittelalterliche Ideen über das Jenseits mitgestaltet.

Anlage

Ich danke Kees Houtman für seine Übersetzungshilfe, René van de Kraats und Prof. Dr. P. Raedts für ihre kritischen Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Aufsatzes. Die Untersuchung ist ermöglicht durch ein Stipendium der Königliche Niederländische Akademie der Wissenschaften.

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‘Jenseits’ wird hier verwendet für das, was außerhalb Zeit und Raum des irdischen Lebens ist. - Über das Paradies siehe Reinhold R. Grimm: Paradisus coelestis, paradisus terrestris. Zur Auslegungsgeschichte des Paradieses im Abendland bis um 1200, München 1977 (Medium Aevum philologische Studien 33), bes. S. 55-71, S. 111-170; auch Peter Dinzelbacher: Vision und Visionsliteratur im Mittelalter, Stuttgart 1981 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 23), bes. S. 105-07. - Bibelzitate im folgenden nach der Vulgatafassung hg. von R. Weber, Stuttgart 1969.
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Die einzige Ausnahme ist die Episode ‘brennende Seelenvögel’ (C 1557-1596, H 1501-1538, M 1093-1112, N -, PA 181, 19-182, 11, Ph 158-60, siehe Anm. 3). Dass hier ein konkreter Jenseitsort, wahrscheinlich eine Art Fegefeuer, geschildert wird, ist schwer zu erkennen und nur mit Hilfe von verwandten Geschichten zu vermuten. Siehe Clara Strijbosch: De bronnen van De reis van Sint Brandaan, Hilversum 1995 (Middeleeuwse studies en bronnen 44), S. 137-41; wird in englischer Übersetzung erscheinen als: The Seafaring Saint. Sources and Analogues of the twelfth-century Voyage of Saint Brendan, Dublin 1999. Zu sonstigen, diesseitigen Zwischenorten siehe Clara Strijbosch: Een reis naar inzicht. De Reis van Sint Brandaan tegen de achtergrond van twaalfde-eeuwse theologische opvattingen over zonde en genade, in: De nieuwe Taalgids 81 (1988), S. 526-43, bes. S. 535-40.
voetnoot3
Zu Stemma und Rekonstruktion des ursprünglichen ‘Reise’-Textes siehe Strijbosch 1995 [Anm. 2] S. 14-52. - Ich zitiere C und H nach E. Bonebakker (Hg.): Van Sente Brandane. Naar het Comburgsche en het Hulthemsche Handschrift. 2 Vols in 1 Bd., Amsterdam 1894; auch benützt ist W.P. Gerritsen, Soetje Oppenhuis de Jong (Hg.) u. Willem Wilmink (Übers.): De Reis van Sint Brandaan. Een reisverhaal uit de twaalfde eeuw. Vertaald door Willem Wilmink, ingeleid door W.P. Gerritsen, met een uitgave van de Middelnederlandse tekst naar het Comburgse handschrift door een werkgroep van Utrechtse neerlandici onder leiding van W.P. Gerritsen en Soetje Oppenhuis de Jong (eindredactie), Amsterdam, 1994 (Nederlandse klassieken 1). - Der deutsche Vers-Text M ist zitiert nach Carl Schröder (Hg.): Sanct Brandan: Ein lateinischer und drei deutsche Texte, Erlangen 1871, der deutsche Vers-Text N nach Torsten Dahlberg: Brandaniana. Kritische Bemerkungen zu den Untersuchungen über die deutschen und niederländischen Brandan-Versionen der sog. Reise-Klasse. Mit komplettierendem Material und einer Neuausgabe des ostfälischen Gedichtes, Göteborg 1958 (Acta Universitatis Gothoburgensis 64). - Der deutsche Prosa-Text P, der in verschiedenen Fassungen vorliegt, wird zitiert in Fassung PA nach Schröder (a.a.O.), Fassung Ph nach Gerhard E. Sollbach (Hg. und Übers.): St. Brandans wundersame Seefahrt. Nach der Heidelberger Handschrift Cod. Pal. Germ. 60, Frankfurt a.M. 1987.
voetnoot4
C 21-88, H fehlt wegen Textverlusts in der Handschrift, M 17-84, N 1-67, PA 163, 4-164, 6, Ph 112-14.
voetnoot5
Zwei Paradiese auf Erden C 32-33, H fehlt wegen Textverlusts in der Handschrift, M 24-25, N -, PA 163, 7, Ph 112 (in P fehlt der Zusatz ‘auf der Erde’); drei Himmel C 42, H -, M 34, N -, PA 163, 6, Ph 112.
voetnoot6
H.P.A. Oskamp (Hg.): De reis van Sente Brandane. Naar de versie in het Comburgsche handschrift, Zutphen 1971 (Klassiek letterkundig pantheon 189), S. 18. - W.P. Gerritsen: Brandaan en de wonderen van de wereld. De reis van Sint Brandaan, in: W.P. Gerritsen, Doris Edel u. Mieke de Kreek: De wereld van Sint Brandaan, Utrecht 1986, S. 51-69, bes. S. 68. - Barbara Haupt: Welterkundung in der Schrift. Brandans ‘Reise’ und der ‘Strassburger Alexander’, in: ZfdPh 114 (1995), S. 321-48, bes. S. 334-35 (Zitat S. 335).
voetnoot7
Dies suggerieren Bemerkungen wie Oskamp [Anm. 6, S. 19] ‘Deze verwarring hangt natuurlijk in de eerste plaats samen met het complilatorische [sic!] karakter van de “Reis”’ oder Haupt [Anm. 6, S. 334] ‘Korrespondenzen [zwischen Exposition und Binnenerzählung] sind zwar vorhanden, aber der Erzähltext lässt eine klare Tektonik vermissen.’

voetnoot8
‘Die erste Burg’ C 699-805, H 670-767, M 455-514, N 370-428, PA 169, 13-170, 9, Ph 128-30; ‘die zweite Burg’ C 806-862, H 768-815, M 515-556, N 429-474, PA 170, 9-171, 9, Ph 130-32; ‘Entführung des Zaumdiebes’ C 863-1008, H 816-953, M 557-616, N 475-552, PA 171, 10-173, 2, Ph 134-36. - Folgendes ist, in anderem Kontext, auch aufgenommen in Strijbosch 1995 [Anm. 2], S. 133-37, 194-95 u. 235-36.
voetnoot9
C 745-47, H 714-16 nennen Balsam, Sirup, Öl und Honig, M 483-85, N 398-400, PA 169, 28-170, 1 und Ph 130 Milch und Wein, Öl (nicht in N, wahrscheinlich infolge eines Fehlers des Kopisten) und Honig; C 755, H 724 und N 403 nennen Zedern, M 491, PA 170, 3 und Ph 130 Sessel.
voetnoot10
Die Namen Henoch und Elia werden in den Fassungen C und H nicht genannt.
voetnoot11
Der Engel Michael in C und H; in M und N ist es Elia, der den Mönch in die Burg schleppt, in P der Engel mit dem Schwert.
voetnoot12
Zu Augustinus' Einfluss auf die Entwicklung der westeuropäischen Paradies-Tradition siehe Grimm [Anm. 1], bes. S. 55-71.
voetnoot13
Howard R. Patch: The Other World. According to descriptions in medieval literature. Cambridge (Mass.) 1950 (repr. New York 1970), S. 44-46.
voetnoot14
Zur mittelalterlichen Tradition von Henoch und Elia siehe D.N. Dumville: Biblical apocrypha and the Early Irish. A preliminary investigation, Dublin 1973 (Proceedings of the Royal Irish Academy. Vol. 73, Sect. C., Numb. 8), bes. S. 308-11.
voetnoot15
C 1115-50, H 1060-95, M 793-822, N 695-702, P -.
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Weil diese Episode in Fassung P nicht vorkommt, ist nicht zu entscheiden, welche Worte die der originalen ‘Reise’ sind.
voetnoot17
Z.B. bei Gregor dem Grossen: XL Homiliarium in Evangelia, Hg. PL 76, Sp. 1075 A-1312 D, bes. B. 2 Hom. 34 (PL 76, Sp. 1249 CD): Novem vero angelorum ordines diximus [...]. Sed ut compleretur electorum numerus, homo decimus est creatus [...]. - Zu dem Ersatz der Scharen der gestürzten Engel siehe Leo Jung: Fallen angels in Jewish, Christian and Mohammedan literature. Z.p., 1926 (repr. New York, 1974), S. 33-34, 152-61.
voetnoot18
Über die komplizierte Texttradition der ‘Visio Pauli’ vgl. Theodore Silverstein: Visio sancti Pauli. The history of the apocalypse in Latin together with nine texts, London 1935 (Studies and Documents 4), bes. S. 61, und Theodore Silverstein: Visiones et revelaciones Sancti Pauli. Una nuova tradizione di testi latini nel Medio Evo, Roma 1974 (Accademia Nazionale dei Lincei. Anno 371, 1974, N. 188. Problemi attuali di scienza e di cultura), bes. S. 8, 15. Zitiert wird nach der sog. Pariser Fassung, in Montague Rhodes James (Hg.): Apocrypha anecdota. A collection of thirteen apocryphal books and fragments. Bd. 1, Cambridge 1893 (Contributions to biblical and patristic literature, texts and studies 2/3), S. 11-42, hier S. 11; tercium celum S. 11 Z. 4 u. 25.
voetnoot19
Grimm [Anm. 1], S. 67-71. Dass Augustinus, nicht ohne Zögern, das himmlische Paradies mit dem dritten Himmel gleichsetzte, ist zu schließen aus seiner Aussage über Paulus' Vision: ‘non incongruenter arbitramur et illuc esse apostolum raptum et ibi fortassis esse paradisum omnibus meliorem et, si dici oportet, paradisum paradisorum’ (Augustinus: De genesi ad litteram 12, 34, hg. v. Iosephus Zycha: CSEL 28/2. Prag etc., 1894, Zitat S. 432, Z. 9-12).
voetnoot20
Haupt [Anm. 6, S. 335] erklärt, dass es neben dem Fixsternhimmel einen geistigen Himmel, Wohnort der Engel, gibt und dass letzterer in der ‘Singende-Engel’-Episode gemeint ist. Unklar ist, ob sie meint, dass der zweite und der dritte Himmel (ungefähr?) zusammenfallen.
voetnoot21
C 861-62, PA 171, 1-2, Ph 132 ähnlich. Zwischen den Besuchen der ersten und der zweiten Burg wird nur erzählt, dass Brandan und seine Mönche weiterreisen und irgendwo weiter eine Burg sehen, nicht, dass sie das Land verlassen oder sich einschiffen (C 806, H -, M 516, N 430, PA 170, 9-10, Ph 130). Außerdem geraten sie in Finsternis, bevor sie die erste Burg besuchen. Wenn sie die Insel nach ihrem ersten Besuch verlassen hätten, wäre offensichtlich, dass sie zwischen erster und zweiter Burg noch mal eine finstere Zone durchsegelt hätten.
voetnoot22
Wahrscheinlich ist der Wunsch, nach dem Anblick des Himmels nach Hause zurück-zukehren, ein bekanntes Visionenmotiv, das in der ‘Reise’ ohne Konsequenzen geblieben ist (siehe Strijbosch 1995 [Anm. 2], S. 136-37).
voetnoot23
Das Land (Multum Bona Terra) C 1597-1814, H 1539-1738, M 1113-1244, N 826-904, PA 182, 12-185, 8, Ph 160-66; die Begegnung mit den Walscheranden (Name nur in C und H; in P, am Ende in anderem Kontext das Wort Waldschratten) C 1815-2068, H 1739-1996, M 1245-1417, N 905-985, PA 185, 8-187, 33, Ph 168-74.
voetnoot24
In C 1793, H 1717 und N 897 mahnt der Zaumdieb gegen den Teufel, in P (PA 185, 3, Ph 166) Brandan, in M 1218, 1237 beide.
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Siehe z.B. 2 Sam. 5:7, Apoc. 14:1, Jes. 1:27 u. Hebr. 12:22.
voetnoot26
Clemens Alexandrinus: Dl. 3. Stromata Buch VII und VIII - Excerpta ex Theodoto - Eclogae Propheticae - Quis dives salvetur - Fragmente. Hg. im Auftrage der Kirchenväter-Commission der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften von Otto Stählin, Leipzig 1909: B. 7 c. 7, 46, Z. 6-7, Ausgabe S. 35, Z. 1-4. Friedrich Andres: Die Engel- und Dämonenlehre des Klemens von Alexandrien, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte 34 (1926), S. 307-29, übersetzt folgendermaßen: ‘Der Gnostiker weiß, dass einige von den Engeln infolge ihres Leichtsinns [hupo rathumias] zur Erde gefallen sind, da sie aus jener Befähigung, sich nach zwei Seiten zu enscheiden, sich noch nicht zu jenem einzigen vollkommenen Habitus entwickelt hatten’ (S. 309). Die wahrscheinliche Abfassungszeit der ‘Stromata’ ist ca. 200 oder ca. 214-16 n.C.
voetnoot27
‘Inferno’, Canto III, V. 37-42. - Zu Clemens von Alexandrien als Vorläufer von Dante siehe Bruno Nardi: Gli angeli che non furon ribelli né fur fedeli a Dio, in: Dal ‘Convivio’ alla ‘Commedia’ (Sei Saggi Danteschi), Roma 1960 (Instituto Storico Italiano per il Medio Evo, Studi Storici, Fasc. 35-39), S. 331-50, bes. S. 338), u. Marcel Dando: The neutral angels, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 132, Bd. 217 (1980), S. 259-76, bes. S. 268-73.
voetnoot28
Zum Verhältnis ‘Navigatio’-‘Reise’ siehe Strijbosch 1995 [Anm. 2]: passim, bes. S. 53-85 u. 225-28. - Die ‘Navigatio’ wird zitiert nach Carl Selmer (Hg.): Navigatio Sancti Brendani abbatis. From Early Latin manuscripts. Edited with introduction and notes, Notre Dame (Indiana) 1959 (Publications in Mediaeval Studies 16). - Über den Ort des Entstehens der ‘Navigatio’ siehe auch Jerzy Strzelczyk: Navigatio S. Brendani abbatis - ein Werk des X. Jahrhunderts?, in: Mittellateinisches Jahrbuch 24-25 (1989-90), S. 507-15, bes. S. 511-14. Einigkeit herrscht nur über Entstehen des Werkes in irischen Kreisen.
voetnoot29
‘Navigatio’ c. 11, Z. 35-44; Zitate Z. 35-37 u. 41-42.
voetnoot30
Zitiert nach Manuel C. Diaz y Diaz (Hg.): Liber de ordine creaturarum. Un anónimo irlandés del siglo VII. Estudio y edición crítica, Santiago de Compostela 1972 (Monografias de la universidad de Santiago de Compostela 10), Zitat S. 124; zu Datierung und Entstehungsort siehe Einleitung, S. 24-27, u. Marina Smyth: The physical world in Hiberno-Latin texts, in: Peritia 5 (1986), S. 201-34, bes. S. 210-11. Siehe auch Grimm [Anm. 1], S. 82-85.
voetnoot31
Dando [Anm. 27, S. 265, 267, 275] ist der Meinung, dass der Mythos der neutralen Engel in irischen monastischen Kreisen enstanden ist, inspiriert durch Schriften der frühen Kirchenväter und verbreitet über die ‘Navigatio’. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Vorstellungen von neutralen Engeln außerhalb der ‘Navigatio’ Jahrhunderte lang auf dem Kontinent zirkuliert haben.
voetnoot32
Die Formulierungen der Texte sind sehr behutsam. Die Walscheranden sagen nicht, dass sie ihre Rückkehr in den Himmel erwarten, sondern dass ihre Hoffnung in Gottes Gnade liegt; so z.B. Wi hopen ghenadelike/ Up Gode van hemelrike (C 1995-96; ähnlich H 1921-22, M 1375-76, N 971, PA 187, 4-5, Ph 172).
voetnoot33
L. Peeters: Neue Perspektiven in dem Forschungsstand der Navigatio Sancti Brendani abbatis und der Reise-Texte, in: De studie van de Middelnederlandse letterkunde: stand en toekomst. Symposium Antwerpen 22-24 september 1988. Hg. F.P. van Oostrom u. Frank Willaert, Hilversum 1989 (Middeleeuwse Studies en Bronnen 14), S. 169-86, bes. S. 174-76.
voetnoot34
Siehe Grimm [Anm. 1], S. 111-20. - Zitiert wird aus: Iohannis Scotti Erivgenae: Periphyseon (De Diuisione Naturae). Ed. by I.P. Sheldon-Williams, with the collaboration of Ludwig Bieler, Dublin 1968 - ... (Scriptores Latini Hiberniae 7, 9, 11, 13, ...), Bd. 4: Liber Quartus. Ed. by Édouard A. Jeauneau, English translation by John J. O'Meara and I.P. Sheldon-Williams, Dublin 1995 (Scriptores Latini Hiberniae 13).
voetnoot35
‘Periphyseon’ 4, 274, Z. 7-11 u. 24-26, Hg. Jeauneau [Anm. 34], S. 232-33.
voetnoot36
‘Periphyseon’ 4, 260, Z. 26-33, Hg. Jeauneau [Anm. 34], S. 212-13.
voetnoot37
‘Periphyseon’ 4, 224, Z. 21-25, Hg. Jeauneau [Anm. 34], S. 176-77.

voetnoot38
C 368-422, H 351-405, M 246-290, N 192-224, PA 166, 10-167, 7, Ph 120-22.
voetnoot39
C 625-698, H 608-669, M 427-454, N 345-369. Eine Paraphrase ist problematisch, weil die Fassungen untereinander sehr abweichend sind, und die Episode in P fehlt.
voetnoot40
C 654-81, H 635-55. Weil diese Episode in P nicht vorkommt, ist nicht klar, ob dies eine Ergänzung in C und H ist oder eine Auslassung in M und N. - Zum sozialen Kontext der aufgelisteten Seelen siehe Clara Strijbosch: Kluizenaars en kasteelbewoners. De literaire verwerking van nieuwe levensvormen en maatschappelijke veranderingen in de Reis van Sint Brandaan, in: Monniken, ridders en zeevaarders. Opstellen over vroeg-middeleeuwse Ierse cultuur en Middelnederlandse letterkunde aangeboden aan Maartje Draak. Red. D.R. Edel, W.P. Gerritsen und K. Veelenturf, Amsterdam 1988, S. 97-117, bes. S. 102-06.
voetnoot41
Zum theologischen Kontext der Erleichterung der Höllenstrafe siehe Strijbosch 1988 [Anm. 2], S. 532-34, zu obstinatio S. 531-32.
voetnoot42
Zur Lage der Hölle siehe Dinzelbacher [Anm. 1], S. 91-92. - Robertus Pullus: Sententiarium libri octo. Hg. PL 186, 639 B - 1010 B, Zitat B. 4, 17, PL 186, 823 B.
voetnoot43
So z.B. in Julianus von Toledo: Prognosticon. Hg. PL 96, 461 A - 524 D, hier 2, 5, PL 96, 478 A: infernus dictus est eo quod infra sit. Das ‘Prognosticon’ (7 Jh.) ist eine der ersten systematischen christlichen eschatologischen Schriften.
voetnoot44
‘Ennarationes in Psalmos’ 85, 17, Z. 11-14. Hg. CCSL 39, S. 1190.
voetnoot45
‘Elucidarium’ 3, 13, zitiert nach Yves Lefèvre (Hg.): L'Elucidarium et les Lucidaires. Contribution, par l'histoire d'un texte, à l'histoire des croyances religieuses en France au moyen âge, Paris 1954 (Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome 180), S. 447.
voetnoot46
‘Ennarationes in Psalmos’ 11, 9, Z. 1-3, Hg. CCSL 38, S. 84. - Siehe L. Peeters: Round about - in circuitu, in: Leven in de oudgermanistiek. Jubileumnummer van het mededelingenblad van de Vereniging van Oudgermanisten, uitgegeven ter gelegenheid van het tienjarig jubileum van de Vereniging. Red. H. Nijdam, M.L. Gerla u.K. van Dalen-Oskam, Leiden 1997, S. 42-46.
voetnoot47
‘Visio Pauli’ 39, Hg. James [Anm. 18], S. 32.
voetnoot48
Lester K. Little: Pride goes before avarice. Social change and the vices in Latin Christendom, in: The American historical review 76 (1971), S. 16-49, bes. S. 16-21, 37-38 u. Abb. 4.
voetnoot49
Gegen diese Auffassung würde plädieren, dass sich im ‘Elucidarium’ (III, 22, Hg. Lefèvre [Anm. 45], S. 450) der reiche Mann in der unteren Hölle befindet, Lazarus in der oberen. Aber diese Situierung ist wahrscheinlich eine Konsequenz der Auffassung, dass Lazarus, weil er vor Christus lebte, das himmlische Paradies nicht betreten konnte, und dass deswegen das refrigerium paradisi, wo er sich aufhielt, nur die obere Hölle sein könne.
voetnoot50
Zu Fegefeuer und Visionen von zeitlichen Höllenstrafen siehe Strijbosch 1995 [Anm. 2], S. 137-41 und Gerritsen [Anm. 6], S. 63-67.
voetnoot51
‘Mittelfränkische Reimbibel’. Hg. F. Maurer: Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. 3 Bde., Tübingen 1964-1970. Bd. 1, S. 161, 163, 103. - ‘Elucidarium’, Hg. Y. Lefèvre [Anm. 45]. - Zum Elucidarium als Quelle der Reimbibel, mit Nebenein-anderstellung der Texte, siehe Dagmar Gottschall: Das ‘Elucidarium’ des Honorius Augustodunensis. Untersuchungen zu seiner Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte im deutschsprachigen Raum mit Ausgabe der niederdeutschen Übersetzung, Tübingen 1992, S. 52-56.
voetnoot52
Haupt [Anm. 6], S. 334, Anm. 55, u. passim, vorbereitet in: Barbara Haupt: Wahrheit und Augenlust der Bücher. Zu Brandans ‘Reise’, in: ZfdPh 115 (1996), S. 321-337, bes. S. 332.
voetnoot53
Ausführlich beschrieben in Strijbosch 1995 [Anm. 2].


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  • over Van Sente Brandane, naar het Comburgsche en het Hulthemsche Handschrift


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  • over Anoniem Brandane, De reis van Sinte