Levende Talen. Jaargang 1933
(1933)– [tijdschrift] Levende Talen–Het Moedertaalonderwijs op de middelbare scholen in Duitsland.
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die 3 unteren Klassen (Sexta, Quinta, Quarta) die Unterstufe, die 3 folgenden (Untertertia, Obertertia, Untersekunda) Mittelstufe und die 3 obersten Klassen (Obersekunda, Unterprima, Oberprima) Oberstufe. Auf die Menge der in Deutschland bestehenden Schultypen brauche ich nicht einzugehen. Alle Schultypen, Knaben- und Mädchenschulen, haben das gleiche Ziel im Deutschunterricht, an allen Schulen hat das Deutsche die gleiche Stellung, und auch durchschnittlich die gleiche Stundenzahl: auf der Unterstufe 4 Stunden wöchentlich (von kleineren Zahlunterschieden sehe ich ab), die realen Anstalten ohne Latein haben 1 Stunde mehr; auf der Mittel- und Oberstufe wöchentlich 3 Stunden, an der Oberrealschule ohne Latein auf der Oberstufe 1 Stunde mehr. Das möge genügen. | |||||||||||||||||||
Die heutige Lage des deutschen Unterrichts.Ga naar voetnoot1)Kein Unterrichtsfach an deutschen höheren Schulen hat seit der Jahrhundertwende stärkere Umwandlungen erfahren und ist heute in Methode und Zielsetzung heftiger umstritten als der deutsche Unterricht. Um seine Lage zu kennzeichnen, ist es notwendig, ganz kurz die Kräfte aufzuzeigen, die seit der Jahrhundertwende und besonders nach dem Kriege wirksam waren und sind. Die ersten glücklichen Anregungen empfing der Deutschunterricht durch die Kunsterziehungsbewegung, die gegen eine intellektualistische Überwertung des Wissens Weckung und Pflege künstlerischen Empfindens forderte und an eine Erziehung durch die Kunst glaubte [Dilthey, Ermatinger, Walzel]. Ferner hat die gleichzeitig hervorbrechende Heimatbewegung den deutschen Unterricht beeinflusst. Gegen die Mechanisierung des Grosstadtlebens sucht sei ein Gegengewicht zu schaffen durch | |||||||||||||||||||
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heimatliche und volkstümliche Kulturwerte. In ihrem Gefolge stellte die Volkskunde den ganzen Reichtum des Volkstums in Sprache, Sage, Volkslied, Sitte, Brauch, Siedlung als Bildungsgut bereit. Die dritte Anregung kam von der folgerichtigen Fortführung der Heimatkunde, von der Deutschkunde. Ihr Ziel ist: Formung des deutschen Menschen durch das deutsche Bildungsgut. Für deutsches Leben der Gegenwart und seine gesellschaftliche Entwicklung in allen Erscheinungen - in Kunst, Weltanschauung, Staat, Recht, Wirtschaft, Volksart, Landschaft, - sucht sie Verständnis zu vermitteln. Die Deutschkunde soll zur zentralen Bildungsidee, zum Erziehungsgrundsatz aller Schulen werden. Die Wortführer der Deutschkunde, die in der Gesellschaft für Deutsche Bildung zusammengeschlossen sind, betonen dabei, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit niemals Selbstzweck sei, aber es fehlt nicht an Stimmen, die vor der Gefahr des Historismus warnen. Was die verschiedenen Richtungen im deutschen Unterricht bei aller Gegensätzlichkeit eint, ist der starke pädagogische Wille, das Ethos, von dem sie alle getragen sind. Alle wollen eine Formung des jungen Menschen und darüber hinaus des ganzen Volkes. Es kommt weniger darauf an, einen fertigen Sinn des Lebens und der Kultur zu übermitteln, sondern darauf, zu bilden, d.h. die Kulturwerte im lebendigen Geschlecht von neuem erzeugen, sie lebendig machen, sie in einen neuen Kulturwillen umsetzen und zu neuem künftigen Leben fruchtbar weiterbilden. Die Kulturtatsachen sollen in das Gefühls- und Willensleben des Jugendlichen hineingetragen werden, um das Wesen deutscher Kultur und das lebendige Werden ihrer Inhalte, Werte und Kräfte in dem Jugendlichen weiterbilden und -formen zu lassen. Dabei wird betont, dass alle Erziehung von der Psyche des Schülers ausgehen muss, um mit Erfolg etwas an die Jugend heranzubringen. Das Bild der Jugend ist aber kleine bleibende Grösse, sondern dauernd in starker Umbildung, daher werden wir Deutschlehrer täglich vor neue Fragen gestellt und müssen ständig umlernen; so erinnere ich an das Problem der letzten Zeit: die Not des Literarischen Unterrichts in den grosstädtischen Schulen. Ist es richtig, dass unsere Oberklassen fast das ganze deutsche Schrifttum, vor allem die Klassiker, als unwahr | |||||||||||||||||||
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oder lebensfremd ablehnen, und dass sie sich von den Modernen abwenden, weil sie ihnen meist zu belanglos sind? Nach unseren Erfahrungen lehnt die Jugend die Stücke des Deutschen Schrifttums ab, in denen sie keine Antwort auf sie bewegende Lebensfragen findet. Unsere Jugend will die Dichtung als ‘Organ des Lebensverständnisses’ empfinden. Von hier aus erwächst die neue Aufgabe, Überlebtes mutig auszuscheiden; nur was wirklich lebendig ist, kann die Entwicklung des deutschen Menschen und Staatsbürgers fördern. Die genannten Richtungen im Deutschunterricht, besonders die volkskundliche, die deutschkundliche und jugendpsychologische, haben ihren Niederschlag gefunden in der Verordnung der Behörde, genannt Richtlinien, vom Jahre 1925Ga naar voetnoot1). Diese Richtlinien sind keine starren Fesseln, sie geben den einzelnen Schulen und dem einzelnen Lehrer in ‘Richtung’gebenden Linien eine fast unübersehbare Fülle von Anregungen und Möglichkeiten. Sie stellen dem mit gediegenem Wissen ausgerüsteten Deutschlehrer die reizvolle Aufgabe, aus dem gewaltigen Umfang der angegebenen Stoffmenge selbst den Weg zu wählen, der für ihn persönlich nach seinen Anlagen und für seine Klasse gangbar ist. Sie stellen also ein richtiges Mass von Freiheit für die sich frei auswirkende Persönlichkeit und Gebundenheit in der Richtung auf ein bestimmtes Ziel dar. Der deutsche Unterricht ist Kernfach an sämtlichen höheren Schulen, d.h. er hat eine Mittelpunktsstellung, die den inneren Zusammenhang der höheren Schulen gewährleistet; als Hauptträger in der deutschen Bildungseinheit hat er an allen Schulen die gleichen Lehraufgaben. Die Richtlinien haben das Ziel des deutschen Unterrichts so formuliert: ‘Im deutschen Unterricht sollen die Schüler lernen, deutsch zu reden und zu schreiben, deutsch zu fühlen, zu denken und zu wollen.’ Wie suchen wir dieses Ziel zu erreichen? | |||||||||||||||||||
1. In der Sprachlehre:Ga naar voetnoot2)Die Aufgabe der Sprachlehre lautet: Die Sprachlehre soll | |||||||||||||||||||
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dem Schüler eine klare Vorstellung von Wesen und Wert seiner Muttersprache, ein sicheres Urteil über richtig und unrichtig geben. Unterstufe: Wie treiben wir auf der Unterstufe Sprachlehre? In der Beschäftigung mit der Sprachlehre erblicken wir keinen unmittelbaren Bildungswert, wohl aber das unbedingt notwendige Rüstzeug für die Erlernung der fremden Sprachen. Wir gehen von der Muttersprache aus, damit eine lebendige und nachprüfbare Einsicht, nicht mechanischer Drill entsteht. Ausgangspunkt für alle grammatische Unterweisung ist die heutige deutsche Sprache, nicht die lateinische Grammatik. Es scheint uns richtiger, die Bindung zwischen Logik und Grammatik zu lösen und einen Bund zwischen Grammatik und gesundem Menschenverstand zu versuchen. Gegenstand der Behandlung ist grundsätzlich der Satz, unabhängig von logischen und psychologischen Erwägungen. Da wir den Satz als die sprachliche Gliederung einer Gesamtvorstellung in Einzelteile betrachten, ist die Erkenntnis der Satzkerne - besonders des wichtigsten, des Aussagekerns, - und deren Erweiterungen die Grundlage der grammatischen Unterweisung. Also ein Vorgehen vom Ganzen in die Teile, nicht der umgekehrte Weg, also vom organischen Gebilde aus die Beziehungen der Einzelteile auf das Ganze suchen! Wichtigster methodischer Grundsatz ist, durch die Eigenbeobachtung und die aktive und spontane Mitarbeit des Schülers die Grammatik aus einer Regelsammlung zu einem sinnvollen Zusammenhang lebendig erfasster Beziehungen werden zu lassen; ein zweiter wichtiger Grundsatz ist, die Bedeutung und Funktion der sprachlichen Erscheinung genau zu erklären. Zur Benennung der sprachlichen Gebilde gebrauchen wir allerdings die lateinischen Bezeichnungen. Ich gebe ein Beispiel aus der Sexta: Als Normalform des Satzes gilt der Vorgangssatz: Beispiel: Ein ganz armes Kind las trockene Tannenreiser in einem abseits vom Wege gelegenen Tale. Der Kern des Vorgangs ist ‘las’, ist Prädikatskern, alle übrigen Teile sind Erweiterungen; diese Erweiterungen werden nun immer vom Kern aus beobachtet, in ihrer Funktion erklärt und benannt. Auf der Mittelstufe geht die grammatische Unterweisung allmählich in sprachgeschichtliche Untersuchungen über. Sie legen | |||||||||||||||||||
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nicht auf einzelne Kenntnisse Nachdruck, sondern sollen bei dem reiferen Schüler ein Verständnis dafür anbahnen, wie die Sprache als ein sozialer Organismus, ewig sich wandelnd wie alles Lebendige, von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart sich entwickelt, und wie sie jederzeit treuester Spiegel unseres Volkstums, seiner Geschichte und seiner Weltanschauung gewesen ist. Noch gebräuchliche Wörter und Wendungen können als Nachbilder früherer Kulturverhältnisse ausgewertet werden; Erb-, Fremdund Lehnwörter können kulturgeschichtlich beleuchtet werden, die Bedeutung der Mundarten wird verdeutlicht; wir wollen vor allem dem Gebildeten Achtung vor der Mundart anerziehen. Den Höhepunkt erreicht die sprachgeschichtliche Untersuchung in der Obersekunda, in der wir eine Einführung ins Mittelhochdeutsche auf Grund der Urtexte geben, gelegentlich sogar Sprachproben des Gotischen und Althochdeutschen. In der Prima mündet die Sprachlehre in die Stilkunde, davon gleich. Die Methode ist die des Arbeitsunterrichts, die Eigentätigkeit des Schülers lässt sich in diesem mehr sachlich gehaltenen Teil des Deutschunterrichts besonders anregen; ebenso in der gleich zu behandelnden Stilkunde. Man kann hier besonders die Freude des Schülers am Suchen und Finden ausnützen, beim Beobachten, Zergliedern, Umbilden, Gesetze ablesen lassen, in den Hausaufgaben, u.s.w. | |||||||||||||||||||
2. Wie suchen wir unser Ziel zu erreichen in der Sprachpflege:Verkehrssprache ist die in den gebildeten Kreisen der betreffenden Landschaft übliche Umgangssprache. Ihr mundartlicher Einschlag soll den Schülern zum Bewusstsein gebracht werden. Offenbare mundartliche Unarten sind zu beheben, die üblen Gewohnheiten der Umgangssprache, die Schwächen der Kindersprache, Launen des Sprachgebrauchs sind zu bekämpfen. Für alles gehobene Sprechen ist die Bühnensprache Vorbild. Zur Sprachpflege gehören auch die Satzungen der Schreibung: Orthographie und Interpunktion. Auf der Unterstufe sind noch besondere Rechtschreibübungen erforderlich. Damit die Rechtschreibung auf eine höhere Stufe gehoben wird, soll der Widerspruch zwischen Laut und Schrift geweckt werden. Wörter mit lautuntreuer Schreibung müssen immer wieder geübt werden. Jedes Wort, dessen Schreibweise neu eingeprägt werden soll, muss zuerst erklärt, dann sorgfältig gelesen, vor- und nach- | |||||||||||||||||||
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gesprochen werden, in Schreibschrift an die Tafel geschrieben, vom Schüler abgeschrieben werden. Diktate dienen zur Übung, sie sollen zusammenhängendes Ganzes sein ohne Spitzfindigkeiten und Künsteleien. Regeln werden ersetzt durch den fleissigen Gebrauch des amtlichen Wörterverzeichnisses. | |||||||||||||||||||
3. Das sprachliche Gestalten.Ich spreche
a) Die Stilkunde:Ga naar voetnoot1) Der Stilunterricht soll im Schüler das sprachliche Gestalten fördern. Schulung im sprachlichen Gestalten bedeutet die Freimachung und Steigerung der sprachgestaltenden Eigenkräfte im Schüler. Der Kampf der Deutschlehrer um einen besonderen Stilunterricht neben den bisherigen schriftlichen und mündlichen Übungen ist in jüngster Zeit zu Gunsten eines solchen Unterrichts entschieden, vor allem weil man in weiteren Kreisen die Gefahr einer Stilverwilderung erkannte, und besonders auch die Universitäten auf die bestehenden Gefahren für die Deutsche Sprache hinwiesen. In diesem Unterricht soll besonders gegen die hauptsächlichsten Stillaster gekämpft werden, so etwa gegen grammatische Verstösse wie Verwechslung von Präpositionen und Konjunktionen, gegen unklares Denken, gegen die Unfähigkeit in klaren Begriffen zu denken, gegen unklare, ungenaue, widerspruchsvolle Ausdrucksweise, gegen den nominalen Stil, gegen den Amtsstil und Schachtelstil, gegen Umständlichkeit und Weitschweifigkeit und gegen die Phrase. | |||||||||||||||||||
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Die Stilübungen setzen schon auf der Unterstufe ein: Hier soll besonders der Wortschatz erweitert werden. Die Leitlinien für die Unterstufe lauten: Klarheit, Abwechslung, Anschaulichkeit! Stilübungen dafür sind:
Auf der Oberstufe werden zunächst die bisherigen Übungen fortgesetzt, nur in erweiterter Form; so lässt man statt der Synonymareihen ausgedehnte Wortsammlungen anlegen. Z.B. über den Begriff ‘Freude’ lässt man sämtliche Substantiva sammeln und ordnen, etwa über: ‘Innerer Zustand der Freude’: Fröhlichkeit, Zufriedenheit, Vergnügen; dann über ‘Ausdruck | |||||||||||||||||||
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der Freude’: Lachen, Jubel, Jauchzen; ebenso lässt man die zu Freude gehörigen Adj. und Verben sammeln. Die Schüler haben ein besonderes Sammelheft. Auf der Oberstufe wird man ferner die Übersetzung als Stilübung betreiben. Lehrreich sind auch Übungen im Verknüpfen von Sätzen; z. B. der Lehrer zerlegt einen längeren Satz aus einem Schriftsteller; er lässt die Schüler die Teile verknüpfen und dann mit dem ursprünglichen Text vergleichen. Bei solchen Übungen kann man vor allem gegen die Stilfehler des Stopfstils ankämpfen: gegen das Zuviel in einem Satz, gegen den Missbrauch der Relativsätze, gegen den Schachtelstil. Besonders wertvoll auf der Oberstufe sind die sprachästhetischen Übungen an Meisterprosa; sie vor allem entwickeln das Urteilsvermögen der Schüler und erziehen ihnen ein sicheres Stilgefühl an. Man nimmt Stellen, in denen sich die stilistische Eigenart des Schriftstellers deutlich offenbart, dann verteilt man die Stiluntersuchung an die Schüler und weist jedem einzelnen (oder einer kleinen Gruppe) eine besondere sprachliche Erscheinung zur Untersuchung an. Also etwa: die Gedankenfolge; ob verbaler oder nominaler Stil; ist das Dargestellte gesehen, gehört oder gedacht? wie ist die Wortgebung (Wechsel, Wiederholung, reichlich, knapp, Neubildung); sind die Adjektiva individualisierend oder typisierend; wie ist der Satzbau (nach Unterordnung oder Nebenordnung; klar oder unübersichtlich?). Die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen der Schüler werden in einer Stunde mitgeteilt und zueinander in Beziehung gebracht. Wichtig ist dabei vor allem die Frage: Welche ästhetische Wirkung übt die besonders für den betreffenden Schriftsteller als charakteristisch erkannte Ausdrucksform aus? Diese Wirkungen erfassen ist das Wichtigste! Nach ihrer ästhetischen Wirkung werden die einzelnen sprachlichen Erscheinungen zusammengeordnet und gemeinsamen Formbegriffen, Stilkategorien, untergeordnet. Ein anderes Mal kann man von diesen gefundenen Stilkategorien ausgehen und die Belege für die Stilbegriffe zusammentragen lassen. Solche Stilbegriffe, meist im Gegensatzpaar, sind etwa: objektive oder subjektive Darstellung; Bewegung, Ruhe; Rausch, Nüchternheit; malerische, plastische Darstellung; Reichtum, Dürftigkeit; abstrakte, konkrete Darstellung; u.s.w. Jeder Schüler untersucht dann den Text auf ein gegensätzlichès Begriffspaar. | |||||||||||||||||||
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b) Die schriftlichen Übungen. Neben die ebengenannten schriftlichen und mündlichen Stilübungen tritt nun vor allem der Aufsatz. Sein Ziel ist: Erziehung zum natürlichen und treffenden Ausdruck, zur klaren Gliederung, zur geordneten Gedankenführung. Auf der Unterstufe benutzt man die natürliche Mitteilungsfreude des Jungen zur Abfassung von selbsterlebten Geschichten, Fantasieerzählungen, Briefen, Nacherzählungen, z. B.: ‘Eine Tiergeschichte’, ‘Beim Spiel’, ‘Im Schnee’. Der Aufsatzunterricht der Mittelstufe geht aus auf die Übermittlung objektiv gegebener Tatsachen: Ereignisse, Beobachtungen, Entdeckungen. Daher herrscht hier der Beobachtungsaufsatz über Vorgänge, Dinge, Gegenstände, Bilder, Ereignisse, Zustände, Menschen. Auch lässt man Stimmungsberichte, Skizzen, Sachberichte über Gelesenes anfertigen; hinzu kommen die ersten Gliederungsübungen. Auf der Oberstufe wird vor allem die logisch gegliederte Abhandlung gefordert, daneben Referate, Facharbeiten, Theater- und Konzertberichte, Presseberichte, technologische Beschreibungen, Charakteristiken. In der Wahl des Themas ist dem Schüler eine gewisse Freiheit gegeben, man stellt in der Regel eine Anzahl Themen zur Auswahl, bei der Auswahl der Themen soll möglichst jede Begabung zu Recht kommen. Moralisierende Themen sind ganz, literarische fast ganz aus der Schule verdrängt worden. In der Beurteilung sind die eigene Auffasung, das selbständige Urteil des Schülers, seine persönliche Ausdrucksweise als Vorzüge zu werten. Im Jahre werden etwa 6 bis 8 Aufsätze geschrieben. c) Mündliche Übungen. Bis in die obersten Klassen hinein soll die Kunst des sinngemässen und ausdrucksvollen Lesens geübt werden, weil es seinen eigenen Wert hat und zwingt, auf die äussere und innere Sprachform zu achten und Aufbau und Ausdrucksmittel zu verstehen. Aus den gleichen Gründen wird bis in die oberste Klasse das Auswendiglernen von Gedichten und auf der Oberstufe auch von wirkungsvollen prosaischen Stilproben gefordert, der Vortrag soll unter allen Umständen schlicht-natürlich sein. In den übrigen mündlichen Übungen soll der Schüler dazu erzogen werden, das, was er zu sagen hat, richtig geordnet und unbefangen auszusprechen. Schon auf der Unterstufe sucht man | |||||||||||||||||||
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die natürliche Freude der Schüler am Erzählen zu fördern. Wer irgend etwas zu erzählen hat, der soll es erzählen; man richtet eine wöchentliche Erzählstunde ein, zu der jeder etwas beitragen muss (über ein gelesenes Buch, neue Märchen und anderes). Die Mittelstufe muss versuchen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die in den Sprachhemmungen der Pubertätszeit drohen, man lässt Berichte über interessierende Sachgebiete, etwa aus der Technik, geben. Auf der Oberstufe werden Zusammenfassungen, Referate, gefordert, auch Vorträge, deren Themen erst in der Stunde gestellt werden können. Die Schüler der Oberstufe sollen sich bei ihren Reden allmählich mit Stichworten begnügen und die sprachliche Formung dem Augenblick überlassen. Alle Schüler sollen vor der Klasse sprechen und den Hörem ins Gesicht schauen. An den Vortrag schliesst sich stets eine Besprechung an über den Inhalt und die Form, das Urteil der Klasse ist vom Lehrer stets herauszufordern. In der Oberstufe kann man auch durch Bericht und Gegenbericht, durch freie Erörterung einer bestimmten Frage die Schüler zur Wechselrede, zur Diskussion, zum Streitgespräch auffordern; in diesen Wechselgesprächen soll der Lehrer den geistigen Faden behalten und auf Sachlichkeit und Achtung vor der Überzeugung des Anderen hinwirken. Ein wichtiges Mittel ist die Verfertigung eines Protokolls über solche Erörterungsstunden. | |||||||||||||||||||
4. Wie erreichen wir unser Gesamtziel im Schrifttum?Ga naar voetnoot1)Die Aufgabe lautet: Die Einführung in das Deutsche Schrifttum soll die Schüler 1) mit Liebe und Verständnis für die eigentümlichen Schöpfungen des Deutschen Geistes auf dem Gebiete der Literatur erfüllen, 2) sie durch Eindringen in Gehalt und Form geistig bilden, 3) sie durch die in den Werken niedergelegten Lebenswerte innerlich bereichern. Der Stoff: Das in der Schule zu behandelnde deutsche Schrifttum erstreckt sich von der primitiven Volksdichtung, von Märchen und Sage bis zu den höchsten dem Schüler zugänglichen Offenbarungen des Genius. Der Obersekunda wird die erste grosse Blütezeit der Deutschen | |||||||||||||||||||
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Literatur im Mittelalter zugewiesen; der Prima der Zeitraum des deutschen Idealismus, der Klassik und Romantik sowie die bedeutenderen Schöpfungen des poetischen Realismus des 19. Jhs. Die Methode: Die Behandlung des deutschen Schrifttums muss 1) lebendig sein, d.h. sie muss das Erleben des Dichters in das Erleben des Schülers einmünden lassen; das wäre die lebenskundliche Seite der Behandlung. Sie muss 2) auf die Lebensstufe des Schülers Rücksicht nehmen, d.h. jugendpsychologisch eingestellt sein. Sie muss 3) künstlerisch eingestellt sein, auf den künstlerischen Kern vorstossen, das Verhältnis von Gestalt und Gehalt aufleuchten lassen. Die Behandlung soll endlich 4) arbeitsunterrichtlich die Eigentätigkeit des Schülers anregen. Aber gerade bei der Behandlung des Schrifttums zeigt sich auch die Grenze des arbeitsunterrichtlichen Prinzips. Die Behandlung von Kunstwerken fordert, dass im Lehrgespräch, einer mehr gebundenen Form des Arbeitsunterrichts, die geistige Führung unbedingt beim Lehrer liegt. Auch dem Lehrervortrag weist man wieder seinen Platz an. Oberster Grundsatz bei der Behandlung muss sein, dass jedes Kunstwerk seine eigene innere Gesetzlichkeit hat und nur als Ganzes erlebt werden kann. Bei Gedichten wird man die Besprechung einschränken, ein lyrisches Gedicht braucht vom Lehrer nur vorgetragen zu werden, oder man kann dem Vortrag eine Einstimmung vorangehen lassen. Hier kommt es nur darauf an, dass es erlebt wird. Eine Behandlung der Balladen wird sich nach dem Vortrag des Lehrers darauf beschränken, einige Bilder herauszuheben, die Stimmungslinie zu klären, die Gestalten aufzuhellen. Zur Verstärkung der Stimmung kann man Werke der bildenden Kunst heranziehen. Auch das Drama muss als Ganzes, als Kunstwerk wirken. Unter keinen Umständen eine monatelange Behandlung, eine ermüdende Durchnahme von Szene um Szene oder alle Einzelheiten des technischen Aufbaus! Das Drama kann nur von innen heraus, von seinem lebendigen Mittelpunkt erfasst werden. Der Lehrer hat die Freiheit, den leitenden Gesichtspunkt dafür auszuwählen, er kann verschiedene Dramen nach verschiedenen Gesichtspunkten zur Darstellung bringen. Er kann vom Motiv ausgehen, vom Problem, von der Hauptgestalt, vom Erlebnis der Dichters, von der Form. Er soll von da aus einen Durchblick geben, zeigen, wie aus diesem Mittelpunkt sich mit den Mitteln des Dichters das Ganze gestaltet. Vor jeder Besprechung muss das Werk vom Schüler | |||||||||||||||||||
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ganz gelesen werden, man soll für die erste Lektüre schon bestimmte Anhaltspunkte geben. Man kann ferner an einzelne Schüler besondere Aufgaben verteilen, z. B. den Gang der Handlung, Bedeutung einzelner Szenen, Herausarbeitung einzelner Gestalten, Dichtererlebnis, u.a. Diese Ergebnisse werden in der Klasse ausgetauscht, besprochen, sodass schliesslich in der Klasse ein Gesamtbild entsteht. Zum Schluss gibt der Lehrer eine zusammenfassende Darstellung. Auch die Prosadichtung, Novelle und Roman, wird eine ähnliche Behandlung erfahren. Wenn auch die zeitgenössische Dichtung nicht planmässig behandelt werden kann, so muss der Unterricht doch mit ihr in Fühlung bleiben. Werke, die das Interesse der Schüler besonders erregen, sollen in der Klasse besprochen werden. Man kann dabei das Wesen neuerer Dichtung erschliessen, die wertvolle neue Leistung, das Ringen nach neuen Formen gelegentlich darstellen. Vor allem muss der Lehrer hier immer wieder anregend wirken. Der Stoffplan: Für Unterstufe und Mittelstufe bietet das Lesebuch den Stoff des Schrifttums. Man gruppiert den Stoff um bestimmte Leitideen (etwa für ein Tertial), die man besonders herausarbeiten will; z. B. auf der Mittelstufe: den Helden, das Auslandsdeutschtum, den Erfinder, den Staatsbürger, den Abenteurer u.a. Auf der Mittelstufe treten zum Lesebuch leichtere Novellen, etwa von C.F. Meyer, G. Keller, Storm u.a.; ferner Dramen, so liest men etwa in Untersekunda: Tell, Jungfrau von Orleans, Götz v. Berlichingen, die Weber. Die Oberstufe, die aus einem Lesebuch wissenschaftliche Prosa liest und für Lyrik einen Gedichtband (Auswahl) besitzt, wird aus dem ungeheuren Stoff des Gesamtschrifttums nach einem bestimmten Stoff oder Lektüreplan und mit bestimmten Leitideen auswählen. Der Lehrer hat die Freiheit, diese zu bestimmen. Es gibt ausser den oben genannten allgemeinen Anweisungen (Obersekunda: Mittelalter, Prima: Klassik, Romantik, 19. Jh.) keinen amtlichen Plan für die Einzellektüre. ‘Es sind also soviele Pläne denkbar, als es Möglichkeiten der Mischung von Lehrer- und Schülerpersönlichkeiten gibt, also unzählige; aber für eine bestimmte Klasse unter einem bestimmten Lehrer gibt es nur einen besten Plan, dem der Lehrer also möglichst nahekommen muss’. (Fischer). Ich gebe ein mögliches Beispiel: In der Obersekunda kann man die Behandlung des mittelalterlichen Geisteslebens um das Nibelungenlied, Wolfram v. Eschenbach und Walter v.d. Vogelweide oder | |||||||||||||||||||
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um die Leitidee ‘Kreuz und Mythos’ gruppieren. Man kann Werke lesen, in denen sich mittelalterliche Stoffe auswirkten, etwa: Richard Wagner, Nibelungen, Parzival; Hebbel, Nibelungen; Ibsen, Nordische Heerfahrt. Oder ‘Das Mittelalter im Spiegel der Neuzeit’: bei Scheffel, Ekkehard; Gottfried Keller, Hadlaub, u.a. Die Prima kann etwa unter den Leitideen stehen: Toleranz (Lessing, Nathan; Schiller, Don Karlos; Goethe, Iphigenie); oder Humanität, der Held, Individuum und Gemeinschaft (Kleist, Prinz v. Homburg; Hebbel, Agnes Bernauer, u.a.), der faustische Mensch (Faust, Ibsen: Peer Gynt, Brand u.a.), die soziale Frage, u.a. Und wie steht es um den eigentlichen Literaturunterricht? Ein eigentlicher literaturgeschichtlicher Unterricht kommt nicht in Betracht. Auf der Oberstufe, wo der Unterricht Höhen- und Knotenpunkte der deutschen Literatur behandelt, bleibt grundsätzlicher Ausgangspunkt das einzelne Kunstwerk. Die lebendige Betrachtung verschiedener Einzelwerke führt von selbst zu Verbindungen sowohl nach der Seite der Stoffe wie der Motive, und des Gehalts wie der Formen. Indem wir den Gehalt der Einzelkunstwerke in Wechselbeziehung zueinander und zu dem Geist einer Epoche stellen, üben wir geistesgeschichtliche Betrachtungsweise. Vom Einzelwerk aus wird der Unterricht allmählich ein Bild vom Dichter und seiner Bedeutung für die Geistesgeschichte erstehen lassen. Je weiter der Unterricht fortschreitet, umsomehr kann er neben den Einzelbildern Durchblicke auf grössere Zusammenhänge geben. Auf diese Weise werden schliesslich die Hauptstufen der deutschen Geistesgeschichte: Gotik, Renaissance und Barock, Aufklärung und Klassik, Romantik, Realismus, Gegenwart herausgearbeitet. Dabei muss auch die Verknüpfung unserer Literatur mit der ausserdeutschen gestreift werden. So sollen z. B. am Gymnasium Shakespeare und an den Realanstalten Homer und die griechischen Tragiker in ihrer Bedeutung für die deutsche Geistesgeschichte behandelt werden. Ebensowenig wie eine eigentliche Literaturgeschichte soll eine eigentliche Kunstgeschichte gegeben werden. Und doch ist die Betrachtung von Werken der deutschen bildenden Kunst für das Verständnis des deutschen Wesens unentbehrlich. Während der Unterricht der Unter- und Mittelstufe sich auf gelegentliche Einzelbetrachtung zur anschaulichen Ergänzung und zur gefühls- | |||||||||||||||||||
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mässigen Vertiefung beschränkt, kann es auf der Oberstufe durchaus möglich sein, eine Epoche der deutschen Geistesgeschichte auch vom Standpunkt der Kunst aus verständlich zu machen, so etwa bei der Romantik oder beim Barock. Immer wird vom Einzelkunstwerk ausgegangen. Man wird von der Beschreibung zur Deutung und zum Gehalt übergehen, und man wird das Kunstwerk schliesslich als Ausdruck einer Kunstund Geistesepoche würdigen. Ausser durch die Kunst kann der deutsche Unterricht auch durch die Volkskunde eine wertvolle Bereicherung erfahren. Sie soll keine abgestorbenen Formen zu neuem Leben erwecken. Sie soll dem Schüler der Unterstufe an allem, was ihm in seiner Heimat begegnet an Mundart, Tracht, Siedlungsform, Fest- und Trauergewohnheiten, Sitte und Aberglauben, die Heimat und durch sie das Vaterland geistig vertraut machen. Sie soll dem Schüler der Oberstufe das Gefühl wecken für die in der Mannigfaltigkeit der einzelnen Stämme sich offenbarende einheitliche Volksgemeinschaft. Und damit stossen wir auf eine weitere Aufgabe des deutschen Unterrichts, der ja nicht nur Sprach- und Literaturunterricht ist, sondern als Deutschkunde zum deutschen Menschen erziehen will; und das schliesst die Erziehung zum deutschen Staatsbürger ein. Von der Dichtung aus kann man eine lebendige Vorstellung von der Wirksamkeit des Staates, von der Gemeinschaft mit allen Volksgenossen, auch mit denen der anderen Stände geben. Und die Häufigkeit des oft tragischen Problems von Individuum und Gemeinschaft in der deutschen Literatur wird vielleicht die Schüler erkennen lassen, dass im individualistischen Grundzug des deutschen Wesens gewisse Widerstände gegen die Ausbildung einer festen Staatsgesinnung liegen. Und die letzte notwendige Zielsetzung des deutschen Unterrichts ist die Philosophische VertiefungGa naar voetnoot1). Sie wird vor allem die Probleme der grossen Literaturwerke als allgemeine Fragen des Lebens und der Weltanschauung deuten, die nur durch philosophische Besinning erfasst werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass dieser summarische Überblick über Gesamtziel und Einzelaufgaben des | |||||||||||||||||||
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deutschen Unterrichts Ihnen gezeigt hat, welche Bedeutung und welch reiche, verantwortungsvolle Aufgabe dem Unterricht in der Muttersprache zuerkannt wird in der Erziehung zu einem vergeistigten, ethisch-willensstarken und staatsbürgerlich-freudigen Deutschtum. |
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