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Der Deutschunterricht. Erfahrungen und Erlebnisse.
Kurzer Inhalt.
Folgende Fragen wurden behandelt:
1. | Ist es noch immer erwünscht die deutsche, gotische Schrift zu lehren. |
2. | Wie erzielt man bei den Schülern eine gute Aussprache. |
3. | Wie bringt man den Schülern am besten die Wort- und Satzlehre bei. Was bezweckt man eigentlich damit: will man nur den praktischen Zweck der Erlernung der deutschen Sprache oder erzielt man einen grössern, einen tiefern Wert für den ganzen Schulplan, für die sprachliche Bildung des Schülers überhaupt damit. Was bedeutet die deutsche Grammatik im Gymnasium, was bedeutet sie in der Oberrealschule, oder was sollte sie da bedeuten. |
4. | Wie ist das deutsche Idiom zu lehren. Wie das Uebersetzen aus dem Deutschen. |
5. | Welche Lektüre wählt man am besten. |
6. | Wie behandelt man die sogenannte Literatur. |
7. | Wie bringt man die Schüler am besten in Berührung mit der deutschen Geschichte, Geographie, Musik, Malerei, mit der deutschen Kultur überhaupt. |
1. | Ja. - Auch müssen die Schüler die gotische Schrift während einiger Jahre schreiben. Sehr empfohlen wird die neue deutsche Schrift, die sogenannte Sütterlinschrift. |
2. | Durch systematische Uebungen. Mit diesen Uebungen sollte man schon nach einigen Monaten anfangen. Aufmerksam wird gemacht auf die Polydor-Lehrplatten (ƒ 1.65) 90111-3 (Vokale) 90112-3 (Konsonanten). Die Schüler müssen sich weiter daran gewöhnen zu Hause alles laut zu lesen und zu lernen. Den Wert einer guten Aussprache soll man ja nicht unterschätzen. Man muss den Schülern klarzumachen wissen, dass sie die Erlernung der richtigen Aussprache wie ein Sport betreiben müssen: üben, üben und immer wieder üben, zielbewusst wie bei der Grammatik. |
3. | Auch hier ist fortwährende straffe Uebung geboten.
Es gelingt nicht den Schülern ‘nebenbei’ die Grammatik beizubringen. Man nehme also keine Grammatik mit Bildern, mit sogenannten netten, witzigen oder kulturellen Erzählungen - öfters noch dazu in der Form von Ergänzungsübungen - kurz mit vielem, das nur vom Wesentlichen ablenkt, mit viel unnützer Interessantmacherei. Die Uebungen sollen in der Wortwahl so einfach wie möglich sein, so dass die Schüler imstande sind, sie ganz zu beherrschen: holländisch deutsch und umgekehrt. Ja, die ganze Grammatik soll so beschaffen sein, dass sie restlos das geistige Eigentum des Schülers werden kann.
Weiter muss die deutsche Grammatik sehr systematisch betrieben werden. Allerdings muss zugegeben werden, dass dies für das Gymnasium, wo die Schüler im Lateinischen und Griechischen ein gewaltiges sprachliches Training bekommen, keine vitale Frage ist, wohl aber für die Oberrealschule.
Mehr als die englische oder die französische ist die deutsche Sprache dazu geeignet und dazu berufen in der Oberrealschule eine eigene Aufgabe zu erfüllen, nämlich die den Schülern den Aufbau einer Sprache klarzumachen, in das Wesen einer Sprache überhaupt einzuführen, ihm die grammatischen Begriffe beizubringen und in dieser Weise es den
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| Realschülern zu ermöglichen später andere Fremdsprachen ebenso oder beinahe so leicht zu adoptieren wie es die Gymnasiasten können. Es scheint, dass schon allmählich eine Reaktion gegen die auch von der Rednerin nicht bewunderte Art die Grammatik zu lehren einsetzt. Eine historische Uebersicht der in den letzten 25 Jahren vorgeschriebenen Grammatiken könnte hier am Ende interessant und lehrreich werden. |
4. | In ganz anderer Weise wie die Grammatik möchte die Rednerin den Schülern das deutsche Idiom beibringen, nicht systematisch, nicht in der Form von ‘schwere Wörter’ und dergleichen, wobei sie keineswegs bestreitet, dass man in dieser Weise gute oder sogar sehr gute Resultate erzielen kann und dass man auch mit der Art und der Veranlagung der betreffenden Schüler Rechnung zu tragen hat. Mit einfacher Lektüre kann man schon nach einigen Monaten anfangen, und diese ohne Zuhilfenahme der Muttersprache erklären, so dass sie die fremde Sprache als ein künstlerisches Ganzes in sich aufnehmen und verstehen lernen. Die Lesestunden sollten in den ersten Jahren als unmittelbare Deutsch-Übungen betrachtet werden und erst in spätem Jahren, wenn die Grammatik beendet ist, ungefähr am Ende des 3. Lehrjahres zielbewusst die Uebersetzungen aus dem Deutschen ins Holländische einsetzen. Die Kunst des Uebersetzens aus der Fremdsprache, das genaue Interpretieren des Textes wird vielfach nicht systematisch genug geübt und namentlich im Anfang (Ende 3., Anfang 4. klasse) werden den Schülern zu schwierige Texte vorgelegt und als Folge verunzieren nur allzuoft niedrige Noten das Zeugnis.
Die Gefahr in dieses Uebel zu verfallen wird geringer, wenn man in der Schule eine Grammatik, die auch in der Kunst der genauen Textinterpretation führend war, benutzt hat.
Man fange also mit einfachen Texten an.
(7) Man wähle weiter die Texte nicht nur wegen der schwierigen Wörter, sondern man wähle solche, deren Inhalt den Schülern die Geschichte, die Geographie, die Literatur, die Kunst, kurz die deutsche Kultur nahe bringen. Die Stunden tragen dann mehr als sonst dazu bei den Schülern klarzumachen welchen künstlerischen und aesthetischen Wert die Erlernung der deutschen Sprache für sie haben kann.
Zu Hilfenahme von Lichtbildern ist mitunter zu empfehlen (vgl. Blätter für Lichtbildpädagogik v. Seemans Lichtbildanstalt, Leipzig).
Das Zirkulieren lassen von Bildern in der Klasse ist ein schlechtes Surrogat, wirkt störend, nimmt viel Zeit und was wichtiger ist: die ganze Klasse konzentriert sich nicht zusammen auf Bild und Erzähltes. Denn gerade so erzielt man einen dauerhaftem Eindruck als beim blossen Erzählen und Lesen für gewöhnlich möglich ist. Ueberhaupt soll man beim Sprachunterricht die Anschauung nicht vernachlässigen. Immer wieder soll man die schwierigen Wörter an die Wandtafel schreiben und von den Schülern notieren lassen. Man strebe weiter danach den Schülern die Grundbedeutung, die Urbedeutung eines Wortes recht deutlich zu machen, ziehe oft Wichtiges aus der Wortverwandtschaft herbei, und lasse die jeweiligen im Text gebotenen Uebersetzungen am besten im Context lernen. Man diktiere ihnen keine ‘Normalübersetzung’ oder schreibe diese etwa vor: man versuche zusammen mit der Klasse zu der befriedigendsten Lösung zu kommen. Wenn man das Vorrecht hat über ein sogenanntes ‘Fachlokal’ mit allerhand Büchermaterial zu verfügen, kann man auch das Wörterbuch in der Uebersetzungsstunde benutzen lassen. Es ist überhaupt sehr erwünscht den
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| Schülern den richtigen Gebrauch des Wörterbuchs und bei seiner Unentbehrlichkeit auch den problematischen Wert eines solchen Schulwörterbuchs beizubringen.
Das Ueben im Uebersetzen aus der Fremdsprache kann man ausser an aus verschiedenen Schriftstellern gewählten Fragmenten natürlich auch an einem ganzen Buch vornehmen z.B. an einer Novelle, an Essays, was meistens den Nachteil eines ziemlich einseitigen Idiomschatzes bringt. Wenn man sich gut hineingelesen hat, verdient es Empfehlung die Lektüre schnell zu beenden und mit einem neuen Schriftsteller anzufangen. Geschichten wie z.B. P. Schlemihl, und Novellen wie z.B. Mozart auf der Reise nach Prag sind zu diesem Zweck sehr dienlich.
5, 6, 7. Die Literatur: man kann sich mit einer aüsserst knappen Uebersicht - wie sie z.B. sehr gut in einer unsrer Schüleragenden steht - begnügen und jeweils das zu lesende oder gelesene Buch ausführlich aus seiner Zeit heraus beleuchten.
Der zu lesende Stoff: Mit dem Gedicht, dem Lied kann man schon früh anfangen und man soll es durch alle Jahre hindurch nie vernachlässigen.
Was die Prosa betrifft fange man am besten mit Märchen an, schreitet vielleicht zu Bonsels Biene Maja, dann zu Theodor Storm, Gottfried Keller um bei Hermann Löns, Thomas Mann, Stefan Zweig, Ricarda Huch u.a. zu enden.
Namentlich Zweig und Rilke liegen der modernen Jugend sehr gut. Aber bei dieser Wahl spielt viel Persönliches mit hinein und muss auf die besondere Art der Schule Rücksicht genommen werden.
Für das Drama möchte die Rednerin sich hauptsächlich (abgesehen von kleinem Sachen von Hofmannsthal u. dergl.) an Schiller und Goethe halten.
Wenn man über ein Grammophon verfügt gibt es als Ergänzung zu diesem Unterricht wunderschöne Platten, von denen hier eine kleine Auswahl folgt:
Telefunken: |
E 1861. |
Götzen's Tod. - Es lebe die Freiheit.
Aus: Götz von Berlichingen von Goethe.
Sprecher: Heinrich George. |
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A 1615. |
Prolog im Himmel aus Goethes Faust.
Sprecher: Prof. Carl Clewing. |
Polydor: |
62748. |
Die Bürgschaft v. Schiller.
Sprecher: Dr. Ludwig Wüllner. |
Columbia: |
11769. |
Osterglocken aus Faust.
Sprecher: Alexander Moissi. |
Columbia: |
16073. |
Die Prinzessin auf der Erbse v. Anderson.
Erlkönig v. Goethe.
Sprecher: Alexander Moissi. |
Polydor: |
67047. |
Das Hexenlied. |
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67048. |
(Schillings - v. Wildenbruch). |
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67049. |
Sprecher: Dr. Ludwig Wüllner. |
Schliesslich betonte die Rednerin die Notwendigkeit in der deutschen Stunde deutsch zu reden. |
MAGRITA J. FREIE.
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