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Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 101 (1985)

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Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 101

(1985)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde–rechtenstatus Auteursrechtelijk beschermd

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Margarete Andersson-Schmitt
Eine Niederländische ‘Semiramis-in-Trier’-Variante

In der ‘sogenannten ersten’ niederländischen Historienbibel ist folgende Semiramis-Sage überliefert:Ga naar eind1

Doe nynus doot was doe liet hi twee sonen after Doe seide semeramis sijn wijf tot haren outsten soen Wil gi nv minen wille doen So sel gi die meeste heer wesen vander werelt so neemt mi tot enen wiue Wil gi dat niet doen so sel ic v uerdriuen vut desen lande Die soen consenteerdet ende nam siin moeder tot enen wiue [8rb] iegen die ewe Die soen starf corts daer na Doe seide semeramis tot tot [!] haren anderen soen Wil gi mi nv hebben tot enen wiue Soe moechdi die meeste here wesen van alder werelt Doe seide die soen Moeder ten is niet behoerlic dat een kint siin moeder sel hebben tot enen wiue Doe seide die moeder wil gijt niet doen so sel ic v uerdriuen vuten lande Doe seide die soen moeder sel ict ymmer doen So geeft mi een half iaer respijt om mi daer iegen te bereiden Doe gaf si hem dat respijt Dese soen was genoemt trebata Die toech verre in een vreemt lant al daert hem genoechde te wonen Ende begonde daer een stede te maken Ende haelde vut siins moeders lant grote scat ende guet Doe dese stede volma-[!]maect was Doe noemde hise na hem seluen trebata Dat is trier Ende dat was xiiic iaer eer romen gesticht was Doe dat half iaer om gecomen was ende semeramis van haren soen niet en uernam Doe sende si boden vut in allen lande om te soken Ten lesten wort he geuonden Doe togen die boden tot semyramis ende wijsden haer waer haer soen was Ende trebata tymmerde enen tempel daer hi sijn afgoden in settede Ende die uerwolfde hi mit seylstenen Doe semeramis haren soen wiste te vinden Doe bereide si haer ende toech tot [8va] hem om hem te nemen tot enen man Doe trebata uernam dat sijn moeder tot hem quam Doe toech hi haer iegen ende ontfinc se vriendelic Doe begheerde si bruloft te volbrengen Doe seide trebata Moeder ic heb v eerst geloeft te offeren in vol harnas inden tempel voir onsen god eer ic die bruloft doe Semeramis was te vreden Doe toech trebata siin moeder vol harnas an ende leedse inden tempel Doe si inden

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tempel quam Doe togen die zeylstenen dat yser mitten lichaem na hem Ende daer bleef semeramis hangen int uerwolft vanden tempel ende smoerde daer Also als si onnatuerlic geleeft hadde Also starf si onnatuerlic

Diese Geschichte hat inhaltliche Besonderheiten, die in der umfangreichen Semiramis-Überlieferung keine Parallellen haben. Es scheint mir deshalb angebracht, diesen - bisher nicht edierten - Text näher zu betrachten und zu versuchen, ihn in die mittelalterliche Semiramis-Überlieferung einzuordnen.

Die Semiramis-Sage gehört im Mittelalter zum festen Bestand der Universalgeschichten und Weltchroniken, wo sie immer wieder begegnet.Ga naar eind2 Es läßt sich hier ein Semiramis-‘Kanon’ erkennen, der im wesentlichen auf die spätantiken Verfasser Justinus und OrosiusGa naar eind3 zurückgeht. Dieser ‘Kanon’ umfaßt vier Stoffkomplexe:

1.Um anstelle ihres unmündigen Sohnes Ninias regieren zu können, verkleidete sich Semiramis in einen Mann, den Sohn hingegen in eine Frau (Justinus, Orosius).
2.Nicht zufrieden mit den Eroberungen des Königs Ninus, unterwarf Semiramis Äthiopien und Indien, das außer ihr nur noch Alexander der Große betreten hat (Justinus, Orosius).
3.Semiramis ließ in Babylon allerlei prachtvolle Bauten und Befestigungen aufführen (Justinus).
4.Semiramis war grausam und buhlerisch. Ihre Liebhaber ließ sie nach Gebrauch töten. Sie verleitete auch andere zur Unzucht und stellte sogar ihrem eigenen Sohn nach (Orosius), der sie deshalb töten ließ (Justinus).

Gelegentlich ist außerdem eine Episode - nach Valerius MaximusGa naar eind4 - überliefert, die für den kriegerischen Geist der Semiramis spricht: Während Semiramis sich frisieren ließ, erhielt sie die Nachricht von Aufständen in Babylon. Sogleich eilte sie mit nur auf einer Seite geflochtenen, auf der anderen Seite wallenden Haaren zu den Waffen. In Babylon ist eine Statue der Semiramis mit dieser Haartracht aufgestellt worden.

Von Interesse ist hier vor allem der Stoffkomplex 4, da er mit der Gründungssage der Stadt Trier verknüpft worden ist. Die Herkunft dieser Gründungssage hat G. Kentenich in seinem Aufsatz Die

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Trierer Gründungssage in Wort und BildGa naar eind5 übersichtlich dargestellt, und ich folge dieser Darstellung:

Das älteste schriftliche Zeugnis der Trierer Gründungssage ist in der Handschrift Nr. 109 der Johannes- oder Ministerialbibliothek Schaffhausen, die die Geschichtschronik des Regino von Prüm enthält und aus Trier stammt, überliefert. Die Hs. hat auf Bl. 1 folgende Hexameter:Ga naar eind6

 
Nini Semiramis, quae tanto coniuge felix,
 
Plurima possedit, sed plura prioribus addit,
 
Non contente suis nec totius finibus orbis;
 
Expulit a patrio privignum Trebeta regno,
 
Profugus insignem nostram qui condidit urbem.
 
Treveris huic nomen dans ob factoris amorem,
 
Quae caput Europae cognoscitur anteritate.
 
Filius huius Ero patris haec epigrammata pono;
 
Cuius ad inferias hic cum Iove Mars tenet aras.
 
Sidere concordi pax est, non dissocianti.

Die ersten acht Verse stammen, der Schrift nach, noch aus dem Ende des 10. Jahrhunderts.

Diese Verse tauchen dann in den Chroniken immer wieder auf, zuerst in der Vita des hl. Willibrord des Echternacher Abtes Thiofrid (AASS Nov. III, S. 471), der mitteilt, daß die Inschrift ‘moderno tempore’ in Trier aufgefunden worden sei. Auch Otto von Freising zitiert in seiner Chronik (I,8. MGH SS 20, S. 135) die Verse, welche ‘nostris temporibus’ aufgefunden worden seien. Die direkte Quelle Ottos ist nicht bekannt.Ga naar eind7 Ottos Chronik war eine der Quellen der Weltchronik Rudolfs von Ems. Diese folgt (Vs. 3575 ff.)Ga naar eind8 im wesentlichen dem von Justinus/Orosius überlieferten Stoff, erzählt jedoch auch die Geschichte von ‘Trebeca’, den Semiramis vertrieb und der Trier gründete. Die Trebeta-Sage ist immer wieder, bis in die Neuzeit hinein, überliefert worden, wie Kentenich mit Beispielen belegt.

Daß die Sage in Trier entstanden ist, zeigt der Bericht der Gesta Trevirorum (MGH SS 8, S. 111 ff.), einer Chronik, die Anfang des 12. Jahrhunderts begonnen wurde und in ihren älteren Teilen auf eine Historia Treberorum und eine Gallica historia (wohl noch 10. Jahr-

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hundert) zurückgeht. Nachdem die Flucht des Trebeta vor den Heiratswünschen seiner Mutter, die Gründung der Stadt Trier und ihre reiche Ausstattung beschrieben worden sind, werden auch die oben zitierten Verse erwähnt: Der Sohn und Nachfolger des Trebeta, Hero, hat seinen Vater auf dem ‘Mons Juranus’ (dem heutigen Petersberg) in Trier beigesetzt und dem Grab eine Marmortafel beigegeben, in die die Hexameter eingemeißelt waren. Der Grabstein ist auch tatsächlich gefunden worden, wie der sogen. Codex Udalrici berichtet: ‘Isti versus Treveris in tumulo quodam, dum a peregrinis pro quaerenda pecunia rumperetur, lapidi cuidam insculpti inventa sunt’. Bei diesem Stein, den es inzwischen nicht mehr gibt, handelt es sich um eine Fälschung, die aus politischen Gründen - die Kentenich ausführlich darstellt - hergestellt wurde. Auch die Gestalt des Trebeta ist eine reine Erfindung.

Diese Trierer Trebeta-Überlieferung enthält jedoch nichts über Besuch und Tod der Semiramis in Trier. Dagegen hat der Prosakommentar zum Speculum regum des Gottfried von Viterbo (MGH SS 22, S. 34) eine solche Geschichte: Der Sohn (nicht Stiefsohn) ‘Troletus’ flüchtet vor den Heiratsanträgen seiner Mutter und gründet Troja. Sie spürt ihn dort auf, er entweicht zu Schiff in den Norden und gründet, im Jahre 2000, Trier. Semiramis verfolgt ihn jedoch auch dorthin, und er kann sich ihrer nur entledigen, indem er sie ermorden läßt. Ein Sohn Ninias wird nicht erwähnt.

Die Ebersheimer ChronikGa naar eind9 erwähnt zwei Söhne, ‘Ninsa’ und ‘Trebeta’, während die Chronik des Jakob Twinger von KönigshofenGa naar eind10 nur einen Stiefsohn Trebeta nennt, jedoch ‘in etlichen buchern stet geschriben das er were ir recht sun und nůt ir stiefsun’. (Die Ebersheimer Chronik gilt als Quelle für Twingers Vorlage.) Nachdem sich Trebeta in Trier niedergelassen hat, zieht ihm Semiramis mit einem großen Heer nach. Trebeta empfängt sie scheinbar freundlich, lockt sie jedoch dann, unter dem Vorwand, die Hochzeit vollziehen zu wollen, in ein unterirdisches Gemach, das er zum Einsturz bringt (Ebersheimer Chronik), bzw. in eine Kammer, wo er sie ersticht (Twinger).

Die Version der Historienbibel weicht von allen diesen Versionen ab; insbesondere für den schrecklichen Tod der Semiramis,

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die, in einen Harnisch gekleidet, an die Decke eines mit Magneten ausgekleideten Tempels gezogen wird, gibt es keine Parallele. A.J. Barnouw, der die Semiramis-Geschichte der Historienbibel in englischer Sprache ausführlich referiert,Ga naar eind11 hat vorgeschlagen, als ‘Quelle’ eine mündliche Trierer Überlieferung anzunehmen, die von bildlichen Darstellungen in der Art des bei Kentenich (nach S. 200) wiedergegebenen ‘Trebeta-Bildes’ ausgeht. Dieses Bild aus dem Jahre 1559 zeigt u.a. eine eiserne schwebende Figur, die laut Aufschrift den Merkur darstellt. Im 3. Kapitel der Gesta Trevirorum ist eine solche durch Magneten schwebend gehaltene Merkurgestalt beschrieben. Es kann, meint Barnouw, ältere bildliche Darstellungen dieser Art gegeben haben, und das Volk von Trier, dem Merkur unbekannt, Semiramis jedoch wohlbekannt war, kann die schwebende eiserne Gestalt als Semiramis gedeutet haben. H. Knaus, der sich ebenfalls mit dem Komplex ‘Semiramis in Trier’Ga naar eind12 beschäftigt hat, weist Barnouws Vorschlag zurück und nimmt eine - allerdings nicht nachweisbare - literarische Quelle an.

Auch ich bin geneigt, mit einer literarischen Quelle zu rechnen, denn die niederländische Version hat außer dem Tod der Semiramis noch weitere Eigenheiten. Da ist zunächst die Heirat mit einem älteren Sohn, der kurz darauf stirbt. (Da der Sohn Ninias in einigen Überlieferungen ‘Ninus’ genannt wird, liegt möglicherweise eine Verwechslung mit dem Vater, König Ninus, vor.) Sodann haben wir eine Diskussion zwischen Semiramis und ‘Trebata’, die zu einem halbjährigen Aufschub der Hochzeit führt. Das alles kann nicht aus einem wie auch immer gearteten Bild abgeleitet sein. In der Tat finden sich auch Berührungspunkte mit den oberdeutschen Chroniken: In der Ebersheimer Chronik erreicht Trebeta ebenfalls einen Aufschub der Hochzeit, indem er der leichtgläubigen (‘nimis credula’) Mutter vorspiegelt, erst einen Feldzug unternehmen zu wollen, um ihre Macht zu vergrößern. Stattdessen segelt er mit dem Heer sowie großen Schätzen und Vorräten, mit denen die Mutter ihn ausgerüstet hatte, in den Norden. Sobald er vom Herannahen der Mutter erfährt, baut er ein unterirdischen Gemach, dessen Eingang von Säulen getragen

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wird, die durch eine technische Anordnung leicht zum Einsturz gebracht werden können. Auch der Trebata der niederländischen Sage bereitet den architektonischen Mord rechtzeitig vor. In beiden Geschichten bemüht sich Semiramis sehr, den Sohn ausfindig zu machen, sei es durch Astronomen und Wahrsager, wie in der Ebersheimer Chronik, sei es durch Kundschafter, wie in der Historienbibel. In beiden Werken, wie auch bei Twinger, empfängt der Sohn die Mutter scheinbar freundlich, um sie sodann in das jeweilige vorbereitete Gebäude zu locken. Das Wahrscheinliche ist wohl, daß die Historienbibel dieselbe oder eine ähnliche Quelle benutzt hat wie die oberdeutschen Chroniken. Auch dem Bearbeiter von Gottfrieds Speculum regum muß eine solche Version bekannt gewesen sein.

Die Historienbibel hat des öfteren außerbiblische Stoffe in ihre biblische Darstellung eingefügt, wie es der Tradition der Historienbibeln enspricht.Ga naar eind13 Sie hatte eine Vorlage, deren Verfasser sich sehr für abenteuerliche Stoffe interessierte und, wenn er in seinen Hauptquellen - Vulgata und Historia scholastica - auf entsprechende Stellen stieß, weitere Quellen zuzog.Ga naar eind14 Die Historia scholastica crwähnt nur kurz Semiramis als Erfinderin der Hose (Migne PL 198, Gen. Kap. 36, Add. 1) und teilt (Gen. 63) mit, daß Semiramis ihren Sohn ehelichte, um die Nachfolge des Königs Ninus antreten zu können. Ausführlichere, dem oben beschriebenen ‘Kanon’ entsprechende Semiramis-Geschichten finden sich in der Epitoma des Justinus und dem Speculum historiale des Vincentius von Beauvais,Ga naar eind15 die der Historienbibel mit großer Wahrscheinlichkeit als Nebenquellen gedient haben. Indessen hat der Verfasser nicht die Semiramis-Geschichten dieser Werke, sondern die phantastische Trierer Überlieferung in sein Werk aufgenommen, vielleicht weil sie das ehrwürdige Alter der Stadt Trier bezeugt, was ja für die Leser aus dem niederländischnordwestdeutschen Raum von Interesse, wenn nicht gar schmeichelhaft gewesen sein muß. Daß es Überlieferungen gab, die der Fassung der Gesta Trevirorum allerlei hinzufügten, zeigen die oben genannten Chroniken. Diese Überlieferungen waren also nicht nur im elsässischen, sondern auch im niederländischen Raum verbreitet.

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Das Alter der niederländischen Semiramis/Trebeta-Sage hängt mit dem umstrittenen Alter der Historienbibel zusammen. Die Bezeichnung ‘erste’ niederländische Historienbibel, die auf dem in der Hs. A mitgeteilten Datum 1357 beruht, trägt diese Bibel wahrscheinlich nicht zu Recht, denn die Hs. A ist, der Schrift nach zu urteilen, etwa hundert Jahre jünger.Ga naar eind16 Wir müssen auch zwischen dem Archetypus der Bibel und der Hs. A mehrere Überlieferungsstufen annehmen,Ga naar eind17 und daß die Hs. A, die einen sehr jungen Überlieferungszweig repräsentiert und der somit der Archetypus nicht vorgelegen haben kann, dessen Entstehungsjahr überliefert haben sollte, ist recht unwahrscheinlich. Die Jahreszahl 1357 hat also für die Entstehungszeit der Bibel keine Bedeutung.

Die Vorlage der niederländischen Historienbibel scheint der jetzigen Bibel sehr ähnlich gewesen zu sein, bis in den Wortlaut hinein. Es gibt nämlich viele auffallende wörtliche Übereinstimmungen zwischen der Historienbibel und dem Großen Seelentrost,Ga naar eind18 viele inhaltliche Gemeinsamkeiten, die alle aus der den beiden Werken gemeinsamen Vorlage stammen müssen. Sie war offenbar eine Historienbibel, die sehr gern interpolierte - die Interpolationen oder Spuren von ihnen kommen z.T. auch im Großen Seelentrost vor, sind also ursprünglich. Nichts spricht dagegen, daß auch die Semiramis-Sage bereits in der Vorlage vorhanden war. Für diese ergibt sich durch den um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Großen Seelentrost ein terminus ante quem von etwa 1350.

Abschließend läßt sich folgendes feststellen: Der Stoffkomplex ‘Semiramis in Trier’, aus oberdeutschen Chroniken bekannt, hat auch eine vor 1350 entstandene niederländische Variante, die Züge mit der Ebersheimer Chronik gemeinsam hat, aber auch einzigartige Einzelheiten enthält, die sonst nicht überliefert sind. Sie ist von allen bisher bekannten Versionen die phantastischste. Eine schriftliche Quelle, aus der die verschiedenen Varianten der ‘Semiramis-in-Trier’-Geschichte stammen könnten, hat sich bisher nicht nachweisen lassen.

 

Adres van de auteur:

Grönstensvägen 32,

S-752 41 Uppsala/Schweden

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[p. 123]

Anhang: Die Teile der Semiramis-Geschichte aus der Ebersheimer Chronik, die in den Gesta Trevirorum keine Entsprechung haben. (Text nach der Ausgabe von H. Bloch, S. 160-162.)

 

Nach dem Heiratvorschlag der Semiramis, kommt es zu folgendem Gegenvorschlag des Trebeta:

‘Tuis’, inquid, ‘o dulcissima mater, imperatis prompto ac libenti animo parebo, precipue cum tui similem in toto orbe nullam reperire queam, si prius, quod mente gero, tuo pariter et auxilio et consilio adeptus fuero. Nam regnum filiorum Ionithi in Eva, quod Indi vel Bracmani possident, auri et argenti ac gemmarum et omnium rerum habundantia exuberat. Quod si imperio nostro adiungere valuerimus, tunc demum securi cupitis immorabimur amplexibus’. His auditis mater verborum filii nimis credula elaborare cepit omni instantia et fabricatis trigeribus aliisque utensilibus armorum infert copiam et ciborum habundantiam. Deinde simul cum filio inito consilio congregat de omni Asia virorum fortium infinita agmina ac deinde profert auri et argenti inmensa pondera. Post hec fortissimus dux Trebetha militum suorum convocat agmina, et cum ab eis exegisset fidei sacramenta, larga distribuit stipendia. Ad naves deinde cum coniugibus ac liberis quasi totam Indiam possessuri ac stirpem Ionithi properant occisuri. Cumque naves inpulissent et marinis fluctibus ac ventorum flatibus se commisissent. Trebetha oculos ac manus ad celum erigens thonantem invocat, quatenus ipsius iussu ac ducatu in eam partem orbis transponatur, quo et ab humani sanguinis effusione cessare et matris possit incestum devitare. Cuius orationem innocentie Deus amator exaudiens per Ionium secundis ventorum flatibus ad occeani litus veloci cursu naves transposuit, ac deinde boreali inpulsu ad Yperboreos montes seu ad ubera aquilonis usque perveniunt...

Sodann folgt die Ankunft im Tal der Mosel und die Gründung Triers.

Interim, dum hec aguntur, Semiramis de salute filii et exercitus sollicita et quia per internuntium aliquem scire non poterat, ad notissima astronomie convertitur indicia. Cumque per artem fugam filii ac se deceptam comperisset, mentem furibundam continuo iracundie armavit telo et per nigromantiam fanaticam advocat tur-
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bam ac per ipsos, in qua parte orbis filium reperire possit, addiscit. Nec mora, statim ut in occidente eum delituisse comperit, ordinatis rebus et relicto inibi Ninsa primogenito suo cum fortissimis pugnatoribus filiorum Gomer et Togorma ad persequendum filium proficiscitur. Denique et Trebeta, in arte astronomia more orientalium peritissimus, de statu matris vel fratris scire aliquid cercius volens astrorum cursus et ipse rimatur. Cumque matrem iam ad se properantem cognovisset, omni nisu montem civitati proximum, relictis intrinsecus columpnis, quibus sustentaretur, cavare festinat porticumque ante ipsam speluncam opere testudineo duabus columpnis subfulsit. Denique cum iam matrem adventantem prescisset, assumpta fortissima suorum turma obviam ei perrexit simulataque leticia cum canticis et choris eam suscepit et quasi flens pre gaudio in oscula ruit. Post hec infortunio navigationis in hanc terram peregrinationis preter spem se transpositum deplorat et sic feritatem nefandi animi mitigat. Post hec comites matris in castris collocat ipsamque cum paucis Treverim perducens convivium instruxit. Cumque eam largiori cibo et potu refecisset, quasi cubitum cum ea perrecturus ad subterraneum specum perduxit et per aliquos gradus descendentem vi impulit et in precipicium, quod paraverat, ruere coegit. Cumque sonitum ruentis aure captasset, ilico columpnas, que omne opus machine illius sustentabant, subruit ac super ipsam ruere fecit. Sic Trebeta liberatus a crimine incestus civitatem, quam condidit, castimonia ac religione dedicavit.
eind1
Zitiert nach der Hs. A, Leiden U.B. Ltk. 231 (fol 8ra, 31 ff., im Kap. Genesis 11).
eind2
Zusammenstellung bei J. Amiet, Die Gründungs-Sage der Schwesterstädte Solothurn, Zürich und Trier. Solothurn 1890, S. 13 ff. - ‘Über die orientalische Semiramis-Überlieferung’ s. W. Eilers, Semiramis. Entstehung und Nachhall einer altorientalischen Sage. (Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl., Sitzungsberichte 274:2). Wien 1971.
eind3
M. Iuniani Iustini Epitoma Historiarum Philippicarum Pompei Trogi. Ed. Otto Seel. (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana.) Lipsiae 1935, S. 4 f. - Pauli Orosii Historicarum adversum paganos libri VII. Rec. Carolus Zangemeister. (Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, 5.) Vindobonae 1882. S. 43 f.
eind4
Valerii Maximi Factorum et dictorum memorabilium libri novem. Iterum rec. Carolus Kempf. (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana.) Lipsiae 1888, IX, 3, Ext. § 4 = S. 439. Diese Geschichte hat anscheinend großen Eindruck gemacht und sich auch in der bildenden Kunst niedergeschlagen, vgl. z.B. Abb. 4 bei Eilers (wie Anm. 2).
eind5
In: Trierer Heimatbuch. Trier 1925, S. 193-212.
eind6
Wenn nichts anderes angegeben, werden Textstellen nach dem Abdruck bei Kentenich zitiert.
eind7
Auch in einer Ekkehard von Aura zugeschriebenen Chronik (Migne PL 154, Sp. 505/506 add., MGH SS 6, S. 36 add.) werden die lat. Hexameter zitiert, ‘ad haec tempora parvum repertum fuit ibi in lapide sculptum hoc epitaphium’.
eind8
Rudolfs von Ems Weltchronik. Hrsg. von Gustav Ehrismann. (Deutsche Texte des Mittelalters, 20.) Berlin 1915. S. auch Helmut Brackert, Rudolf von Ems, Dichtung und Geschichte. Heidelberg 1968, S. 174 ff.
eind9
Ausgabe: Hermann Bloch, ‘Zur Überlieferung und Entstehungsgeschichte des Chronicon Ebersheimense’. In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 34 (1909) S. 151 ff. (MGH SS 23 enthalten die ersten Kapitel der Chronik nicht.)
eind10
Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert, 9. Leipzig 1870, S. 698. Abgedruckt bei Kentenich (wie Anm. 5), S. 200 f.
eind11
A.J. Barnouw, ‘Semiramis in Treves’. In: The Germanic review 10 (1935), S. 187-194.
eind12
Hermann Knaus, ‘Die Königin Semiramis in Trier’. In: Trierisches Jahrbuch 1954, S. 59-64, Anm. 3.
eind13
Vgl. die Übersichten bei Hans Vollmer, Niederdeutsche Historienbibeln und andere Bibelbearbeitungen. (Materialien zur Bibelgeschichte und religiösen Volkskunde des Mittelalters, I : 2) Berlin 1916. - Das Deutsche Bibelarchiv in Hamburg hat keine Aufzeichnungen des Semiramis-Motivs (Brief vom 1. Dez. 1982).
eind14
Näheres bei Margarete Andersson-Schmitt, ‘Zwei niederdeutsche Bibelfragmente und die Überlieferungsgeschichte der “sogenannten ersten” niederländischen Historienbibel’. In: Niederdeutsches Wort 23 (1983), S. 1-37.
eind15
Vincentius Bellovacensis, Speculum quadruplex. 4. Speculum historiale. Nachdr. der Ausg. Douai 1624. Graz 1965. Lib.I, Cap.103.
eind16
Vgl. J. Deschamps, Middelnederlandse handschriften uit Europese en Amerikaanse bibliotheken. Tentoonstelling...Catalogus. Brussel 1970, S. 152 ff.
eind17
Das Stemma, nach Andersson-Schmitt (wie Anm. 14), letzte Seite:
*HB ( = Vorlage)
*GST *HB 1 (Archetypus der Hist. bibel)
(Archetypus des Gr. Seelentr.) *nd.HB *nl.HB
Hs.I Hs.L Hs.F *A
Hss. A-E

 

eind18
Der Große Seelentrost. Ein niederdeutsches Erbauungsbuch des vierzehnten Jahrhunderts. Hrsg. von Margarete Schmitt. (Niederdeutsche Studien, 5.) Köln-Graz 1959.

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