Het Boek. Jaargang 10
(1921)– [tijdschrift] Boek, Het–
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Ein bisher unbekannter Niederländischer Wiegendruck.In einer der vorher überhaupt noch nicht katalogisierten Handschriften der Lübecker Stadtbibliothek, die ich für die Deutsche Kommission der Berliner Akademie der Wissenschaften inventarisiert habe, fand ich am Schluss einen kleinen niederländischen Druck beigebunden, in dem die Passion Icsu Christi nach den Evangelisten erzählt wird. Die Handschrift, jetzt Ms. theol. germ. 68, die auf 335 Blättern von 13,4 cm Höhe und 9,6 cm Breite einen mannigfaltigen geistlichen Inhalt in niederdeutscher Sprache bietet, stammt aus dem Lübecker Michaeliskonvent, einem Schwesternhaus der Vereinigung vom gemeinsamen Leben, und ist wenigstens teilweise im Iahr 1488, wie Bl. 166v angegeben ist, geschrieben. Der beigebundene Druck umfasstc 22 nicht gezählte Blätter, ebenfalls 13,4 cm: 9,6 cm, von denen das erste fehlt, mit den Signaturen a2 (a1 nicht erhalten) - a4, b1 - b4, c1 - c3; auf der Seite stehen 21 Zeilen (20 Zeilen = 90 mm); für den Anfangsbuchstaben des Textes ist ein freier Raum gelassen, der durch eine rote Initiale ausgefüllt ist; ausserdem sind die grossen Buchstaben rot gestrichelt und Namen rot unterstrichen. | |
Die passie off dat lyden ons heren alzo als die vier ewangelisten gescreuen hebben [Deventer R. Paffraet]. 8o.Bl. 1 fehlt. Bl. 2a, sign. a 2: Die paffy off dat lydē ons heren ihefu // xpi alzo als sie de vier ewangeliftē ge//fcreuen hebben. // (A)Ls ihefiis dit ghefproken // had. [de ende] die louefanc ghefeit // was ghīc he wt. en̄ ghinc // na ghewoentē in den berch // van oliueten. ouer dat reuierken cedron ... Bl. 22b: Ende als dye fabbath o//uer ghegaen was Maria magdalena//ende maria iacobi ende falome coften // ende bereyden ghecrude ende falue. // op dat fi quemen ende ihefum falueden. A.M.E.N. 8o. 22 Bll. a8 b8 c6. Type 1 (Kronenberg, PI. III a, b, [S. 26 und S. 140-141]), 21 Zeilen. Lübeck, Stadtbibliothek. | |
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Dieser Druck ist bei Campbell, Annales de la typographie Néerlandaise au XVe siècle (La Haye 1874, 1878) nicht verzeichnet und auch der Berliner Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke ist, wie mir auf eine Anfrage freundlichst mitgeteilt wurde, ein weiteres Exemplar nicht bekannt geworden. In dem Lübecker Exemplar, in dem das erste Blatt fehlt, sind Drucker, Ort und Jahr nicht angegeben. Haeblers Typenrepertorium führte bei einer mit H. Bibliothekar Dr. F. Weber gemeinsam vorgenommenen Prüfung des Drucks zu der Type 1 von R. Paffraet, Deventer, neben der allenfalls die fast ganz gleiche Type 1 von Iacob von Breda, Deventer in Betracht kommen konnteGa naar voetnoot1). Ein vergleich mit den sogenannten ‘Sermones Socci de sanetis’ (Campbell 1539) zeigte weiter, dass es sich um die völlig gleiche Type handelt, die in diesem Druck vorliegt, der in Deventer erschienen ist und von Campbell R. Paffraet um 1477 zugeschrieben wird. Es ist bekannt, dass Paffract mit den Brüdern vom gemeinsamen Leben in Verbindung gestanden hat, und aus demselben Schwesternhaus, aus dem die den kleinen niederländischen Druck enthaltende Handschrift stammt, sind ausser der eben erwähnten Ausgabe auch die ‘Sermones Socci de tempore’ (Campbell 1540), die Paffraet 1480 in Deventer gedruckt hat, an die Lübecker Stadtbibliothek gekommen. Die von Campbell 1153-1168 verzeichneten niederländischen Drucke der Leidensgeschichte Christi sind umfangreicher und meistens mit Holzschnitten verschen. Der vorliegende Druck, der vielleicht auf dem ersten fehlenden Blatt einen Holzschnitt enthalten hat, ist durch seinen geringen Umfang und seine einfache Ausstattung augenscheinlich für eine möglichst weite Verbreitung bestimmt gewesen. Durch seinen geringen Umfang war er aber gerade dem Untergang besonders ausgesetzt, vor dem das durch die Einbindung in die Handschrift geschützte Lübecker Exemplar bewahrt geblieben ist. Ob diese Passio auch in Handschriften verbreitet gewesen ist und | |
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in niederländischen Handschriften sich etwa noch erhalten hat, ist eine Frage, die ich nur aufzuwerfen, nicht zu beantworten vermag. Vielleicht wird es erwünscht sein, den kleinen Druck durch eine Ausgabe des Textes oder ein Facsimile kennen zu lernen, und ich würde ihn in diesem Fall gerne in den Niederlanden, wo er einst erschienen ist, wieder veröffentlichen. Dass diese volkstümliche niederländische Darstellung der Leidensgeschichte Iesu in Lübeck wieder aufgetaucht ist, hat vor allem aber auch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dadurch, dass es ein Beispiel und äusseres Zeichen für den weitreichenden Einfluss ist, den die Niederlande und besonders die Brüder vom gemeinsamen Leben, die vielleicht an dem Text und der Herstellung des Drucks und sicher an seiner Verbreitung beteiligt gewesen sind, in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts auf das religiöse und geistige Leben Niederdeutschlands gehabt habenGa naar voetnoot1).
Lübeck. Paul Hagen. |
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