Het Boek. Jaargang 12
(1923)– [tijdschrift] Boek, Het–
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Das älteste Bücherverzeichnis der Niederlande.In einem anregenden und reichhaltigen Buche hat K.O. MeinsmaGa naar voetnoot1) wertvolle Mitteilungen über Ursprung, Entwicklung, Einrichtung und Inhalt holländischer Büchersammlungenim Mittelalter gemacht. Das von ihm (S. VII) angekündigte grössere Werk ‘over de Middeleeuwsche Bibliotheken in Nederland’ ist meines Wissens bisher nicht erschienen. Sollte es noch einmal an die Öffentlichkeit kommen, dann müsste berücksichtigt werden, dass es von einer niederländischen Bibliothek ein Bücherverzeichnis gibt, das an Alter den schönen Egmonder Katalog übertrifft und, wie ich kurz zeigen möchte, auch sonst grösstes Interesse verdient. Längst herausgegebenGa naar voetnoot2) ist es doch nirgends recht gedeutet und ausgenützt worden. Der überliefernde Codex Romanus (Vatic.) Pal. lat. 1877, den ich 1913 an Ort und Stelle prüfen konnte und in Photographie besitze, bietet f. 33V-34R in klarer karolingischer Minuskel der Mitte des 9. JahrhundertsGa naar voetnoot3) folgenden Text: Hoslibros repperimus in Gannetias, quos Geruuardus ibidem reliquit et ab inde huc illos transtulimus. 1) Bibliothecam I plenariamGa naar voetnoot4). - 2) expositionem s. Augustini a psalmo I. usque ad LI. in volumine I. - 3) item eiusdem a LI. usque ad CI. in volumine I. - 4) eiusdem in genesi ad litteram volumen I. - 5) Job, Tobi, Judit, Ezras, Hester, Machabeorum in volumine I. - 6) liber omnium prophetarumGa naar voetnoot5) - 7) Augustini de civitate Dei volumen I. - 8) Hieronimi in Esaiam prophetam libri X in volumine I. - 9) Augustini de doctrina Christiana libri IIII et eiusdem in genesi ad litteram contra Manicheos libri II. in volu- | |
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mine I. - 10) vita s. augustini in volumine I. - 11) Hieronimi in minores prophetas volumen I. - 12) Bedae de templi aedificatione volumen I. - 13) actus apostolorum in volumine I. - 14) Hieronimi de actibus virorum inlustrium sequens Tranquillum et Cassiodori de institutione divinarum lectionum, quae quo ordine legi debeant evidenter exponit, in volumine I. - 15) compotum I, liber Horosii et Johannis episcopi Constantinopolitanae ecclesiae et Augustini de quantitate temporis et de praedestinatione adversus Caelestium et Pompei historiarum libri XLIIII in volumine I. - 16) cantica canticorum et expositio Bedae super illa, libri V in volumine I. - 17) Augustini de bono coniugali et de sancta virgi nitate et eiusdem ad Julianam de viduitate conservanda et ad Probam de orandi modo, eiusdemque ad Aurelium episcopum de opere monachorum et eiusdem de quinque panibus et duobus piscibus et eiusdem ad Casulanum presbyterum de ieiunio sabbati et de agone christiano et de vita et moribus clericorum suorum sermo ad ipsos, item sermo secundus ad ipsos et eiusdem ad Armentarium et Paulinam et sermo eiusdem de diversitate timorisGa naar voetnoot1) et mortis in diemartyrii et eiusdem de VIII beatitudinibus secundum Mathaeum in natali virginis martyris cuius nomen taceatur et de vigiliis servorum Dei tractatusGa naar voetnoot2) Niceti episcopi et de psalmodiae bono eiusdem Niceti et sermo in natale s. Vincentii de seminatore verbi sermo pulcherrimus et de luctatione Jacob, de hoc quod apparuit dominus Moysi in rubo ardenti et sermo de Esaia propheta et de pastore et mercennario et fure et de poenitentiae medicina et de poenitentia Ninivitarum et de utilitate agendae poenitentiae et de psalmo L, de monachis ad clericatum ambitionis morbo tendentibus. Totum in volumine I. - 18) homeliaeGa naar voetnoot3) XX. Gregorii papae. - 19) Bedae in lucam. - 20) excerptio Eugypii de quibusdam opusculis s. Augustini. - 21) Hilarii de trinitate. - 22) exameronGa naar voetnoot4) Bedae. - 23) liber Virgilii. Da bei den letzten Titeln die Angaben nicht ganz deutlich sind, ist nicht mit vollen Bestimmtheit zu sagen, ob 23 oder etwas weniger Bände verzeichnet waren. Franz FalkGa naar voetnoot5) suchte die Liste durch nachstehende Sätze zu erläutern: ‘Dieser Geistliche Gerward in | |
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Gent hatte in den ersten Jahren der Regierung Ludwigs d. Fr. (814), unter dem fünften Abt Adalung (805-838), dem Kloster (Lorsch) ein bedeutendes Besitztum, mehrere Huben Landes mit Gebäulichkeiten, auch einer Kirche, sowie Wald- und Wassergerechtigkeiten im Batawagau zum Geschenke gemacht (Schenkungsurkunde ausgestellt zu Aachen in der Königspfalz im Cod. dipl. Lauresh. ed. Mannh. I, 163); in der Hinterlassenschaft befand sich ein Büchervorrat, welcher gleichfalls dem Kloster zufiel, es waren 15 Bände in Pergament mit Schriften der Kirchenväter (Augustin, Hieronymus, Beda), zwei Messbücher, verschiedene andere Autoren, auch ein Virgil’. Mit Recht sieht Falk in dem Gerward unseres Bücherverzeichnisses jenen Kleriker, von dem die Lorscher Überlieferung eine Schenkung aus dem Jahre 814 aufbewahrt hat, steht doch auch das Verzeichnis in einem Lorscher Codex im Anschluss an einen grossen Bibliothekskatalog des östlich von Worms an der Bergstrasse gelegenen Benediktinerstiftes. Aber über ‘Gannetias’ lässt uns der Gelehrte im Unklaren, wenn er ohne Erklärung Gent dafür setzt. Wohl jeder deutsche Leser der Falkschen Abhandlung wird an die Hauptstadt der belgischen Provinz Ostflandern gedacht haben. Sieht man sich jedoch den Traditions textGa naar voetnoot1) genau an, der ‘in pago Batauua’ die ‘villa Gannita’ ausserdem die ‘villa Thesta’, ‘Wälder in Suornom’, ‘Dubridun’ ‘Burlohe’, ‘Hasle’, einen Fischweiher in ‘Salahom’, die Flüsse ‘Hisla’ und ‘Wal’ nennt, so wird bald klar, dass von den Rheinarmen Waal und IJssel, vom Salland zwischen der Zuiderzee und Bentheim, von Hasselo in der Prov. Overijssel, von Hoog-Buurlo, Doeveren, Soeren, Deest und Gent im Gelderland die Rede istGa naar voetnoot2). Ich bin keineswegs der ersteGa naar voetnoot3), der festgestellt hat, dass seit dem 8. Jahrhundert Lorsch in Gent wie sonst im Gelderland und anderen Teilen der heutigen Niederlande Rechte und Liegenschaften besass. Nur die Gleichsetzung des Gannetias, das in dem Bücherverzeichnis vorkommt mit Gent bei Nijmegen, ist, wenn ich nichts übersehen habe, mein kleines Verdienst. Auf jeden Fall hätte Falk deutlich zwischen den beiden Gent unterscheiden und Th. Gottlieb wie K.O. Meinsma Gannetias = Gent bei Nijmegen | |
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als alte Bibliotheksstätte der Niederlande hervorheben müssen. Im Jahre 814 also wurde Lorsch mit der übrigen Habe Gerwards Eigentümer der kleinen Bibliothek. Wann die Bücher nach Lorsch gebracht wurden, ist nicht aufs Jahr zu sagen. Wir dürfen wohl annehmen, dass die Überführung bald nach der Schenkung geschah, wiewohl merkwürdiger Weise die Gerwardbände nicht gleich in die grossen Lorscher Kataloge eingeordnet zu sein scheinen. Geistesgeschichtlich lässt sich aus dem richtig verstandenen Gent-Lorscher Verzeichnis Wichtiges gewinnen. Wir sehen einen der Wege, auf dem das berühmte karolingische Kloster zu seinen durch Alter und Inhalt hervoragenden Bücherbeständen gekommen ist, sehen, dass ausser Frankreich und Italien, ausser Fulda, Köln und Trier im heutigen deutschen Reiche auch Holland Handschriften geliefert hat. Das ist um so bemerkenswerter als der einzigartige Codex Vindobonensis, der die sonst nicht überlieferten Bücher XLI-XLV der Livius enthält, im 16. Jahrhundert in Lorsch entdeckt wurde, im 8. Jahrhundert aber in den Händen eines niederländischen Geistlichen war. Iste codex est Theatberti episcopi de Dorostat steht in z. T. verblichenen Schriftzügen am Schluss (f. 193 V). Dorostat ist W ij kb ij Duurstede unweit Utrecht. Wie A. HauckGa naar voetnoot2)) identificiere ich Theatbert mit dem Thiaterd, der nach 784 Bischof von Utrecht gewesen sein soll. Thiaterd in dem jungen Bischofskatalog des 14. JahrhundertsGa naar voetnoot3) ist wohl ein späte Entstellung von Thiatbert, Theutbert. Dass Theatbert Bischof von Dorostat genannt wird, ist, wenngleich auch auffällig, so doch erklärlich, da Duurstede gerade im 8. Jahrhundert im Utrechter Sprengel fast dieselbe Bedeutung wie das nahe Utrecht selbst gehabt hat und vielleicht von dem einen und anderen Bischof als Residenz bevorzugt worden ist. Es sei daran erinnert, wie Liudger einmal die beiden Orte neben einander erwähnt: B. Gregorius Traiectum antiquum civitatem et vicum famosum Dorstad cum illa irradiavit parte Fresoniae, quae tunc temporis christianitatis nomine censebatur. Ein anderer hervorragender Forscher W. Levison (Bonn) hat al- | |
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lerdings im Gegensatz zu Hauck darzulegen versuchtGa naar voetnoot2), dass wir Theatbert nicht in der Utrechter Bischofsliste suchen dürften. Wahrscheinlich hätte jener Besitzer des Liviuscodex im 1. Drittel des 8. Jahrhunderts als Kollege des Utrechter Bischofs in Duurstede gewirkt. Überzeugt haben mich Levisons Bemerkungen und Einwände nicht, und ich halte mit L. Traube daran fest, dass der Besitzervermerk der Handschrift nach seinem Schriftcharakter aus dem Ende, nicht aus dem Anfang des 8. Jahrhunderts stamme. Wen wir unter dem Theatbertus episcopus de Doorstat auch verstellen mögen, das ist unbestreitbar, dass der alte Livius im 8. Jahrhundert in Duurstede gewesen ist. Meinsma hätte sich diesen ältesten erhaltenen Codex der Niederlande nicht entgehen lassen dürfen. Nach Lorsch wird das ehrwürdige Manuskript ähnlich wie die Gerwardbände von einer der Niederländischen Besitzungen des Klosters gelangt sein, obgleich es auch andere Möglichkeiten gibt. Verzeichnen die Lorscher Kataloge der Mitte des g. Jahrhunderts wirklich alle Bücher, so ist der Livius erst, als die Kataloge schon fertig waren, der Lorscher einverleibt worden. Wichtiger wäre eine klare Beantwortung der Frage, wie Theatbert zu dem Codex gekommen war. Geschrieben ist es aller Wahrscheinlichkeit nach im 5. Jahrhundert in Italien. Wir haben vor allem an 2. Möglichkeiten zu denken: von einer Romreise oder aus England brachte sich einer der christlichen Missionare den Band mit. Man erinnere sich an Willibrord, an Gregor, Liudger, an ihre Genossen und Jünger, erinnere sich, dass Liudger über Gregors von Utrecht römischen Aufenthalt im Jahre 722 oder 737 sagtGa naar voetnoot3): plurima volumina sanctarum scripturarum largiente Deo illic acquisivit et secum inde ad profectum proprium discipulorumque suorum non modico domum advexit; dass nachweislich Bücher von den britischen Inseln nach Holland und Westfalen hinüber geschafft worden sind, so 780 aus York durch Liudger. Den Inhalt der Codices geben die alten Gewährsmänner leider gewöhnlich nicht an. Liudger freilich berichtetGa naar voetnoot4) einmal, dass er Augustins Enchiridion zum Geschenk erhalten habe, als Gregor von Utrecht 772 schwer erkrankt mehrere Bücher unter seine Getreuen verteilte. Aus dieser - von MeinsmaGa naar voetnoot1) | |
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nicht beachteten - Notiz lernen wir wenigstens den Titel eines der im 8. Jahrhundert zu Utrecht gebrauchten Bücher kennen und sehen, wie die Handschriften nicht alle in Utrecht bliebenGa naar voetnoot1). Dass auch Gerwards Bibliothek, ganz oder z.T., auf die angelsächsischen Glaubensboten in den Niederlanden zurückgehe, liegt an sich nahe und wird durch eine paläographische Beobachtung gestützt. Mindestens eins der Gerwardbücher ist erhalten und dieses hat vorn einen Eintrag in ausgesprochen insularer (angelsächsischer) Halbunciale des frühen 8. JahrhundertsGa naar voetnoot2): quatuor e(van)gelium sancta. duo sacramentorium. duo homelias. quindecimlibri Agustini. undecem episto(le) Pauli. dealogorum. rotarum. regule. liber locorum. liber profetarum. liber Cipriani testimoniali. Sedulius metri (....). de igni purgatorio. pastoralis. vita Pauli et Antonio. II antefanarias. duo libri Pauli. Sowohl A. Reifferscheid wie F. Falk haben bei Veröffentlichung der Liste Fehler gemacht und vor allem das Alter und den Schriftcharakter verkannt. Wahrscheinlich sind es die Bücher eines in den Niederlanden tätigen Angelsachsen. Aus diesem Handschriftenvorrat kam, wohl nicht als einziger Band, an Gerward nach Gent (Gelderland) der Codex Rom. (Vatic.) Pal. lat. 210, in dem die eben veröffentlichte insulare Liste steht und der im Verzeichnis der Bücher Gerwards am ausführlichsten an 17. Stelle beschrieben ist. Der angelsächsische Vorbesitzer dürfte ihn aus Italien haben. fol. 1V mit einem Inhaltverzeichnis, fol. 3V-269 mit verschiedenen Traktaten Augustins u.a. sind in festländischer Unciale des späten 7. Jahrhunderts, fol. 2R u. V. mit einem Stück aus Augustins Retractationes in festländischer Halbunciale derselben Zeit beschrieben. Für die betreffenden Augustintexte ist der Palatinus der zweitälteste Codex. Nur Corbie hat für einige der Schriften in Paris lat. 13367, für einige in Petersburg Q. v. I 3 je einen höher hinaufreichenden und zum | |
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Teil für die Kritik wichtigeren Textzeugen gehabtGa naar voetnoot1). Für Nicetas de Remesiana De Vigilia und De psalmodiae bono ist der Palatinus die weitaus älteste Handschrift der zweiten RezensionGa naar voetnoot2). Der ganze Palatinus scheint im 9. Jahrhundert genau abgeschrieben worden zu sein. Diese Kopie kam ins Kloster Cluni, ist jezt in der Nationalbibliothek zu Paris No. 1448 der Nouv. acq. lat.Ga naar voetnoot3). Da also dieser eine Gerwardband in jeder Beziehung äusserst bemerkenswert und wissenschaftlich ergiebig ist, möchte man begreiflicherweise gern alle Gerwardhandschriften, die biblischen und liturgischen, die patristischen und profanantiken kennen. Th. GottliebGa naar voetnoot4) hat in Pal. lat. 234 fol. 114-272 Aug. in genesim ad litteram, saec. IX den 4. Band unserer Liste, in Pal. lat. 172 Hier. in Esaiam, saec IX den 8. wiederzufinden geglaubt. Wo der Liber Virgilii geblieben ist, weiss man eben so wenig, wie man den Verbleib der unter no. 15 verzeichneten Pompeii historiarum libri XLIIII kennt. Unter diesen Büchern ist Justins Epitome der Historiae Philippicae des Pompeius Trogus zu verstehen. Die ältesten Handschriften, die man von dem Geschichtswerke hat, stammen aus den 9. Jahrhundert, sind wohl alle jünger als Gerwards Codex. Und ich kenne keinen Katalog einer festländischen Bibliothek mit Justins Büchern, der älter als die Gerwardsammlung wäre. Sollten wir da den Stammvater der vermutlich im englischen York wurzelnden deutschen und französischen Justinüberlieferung haben? Ohne das vorbehaltlos zu bejahen, können wir die Niederlande des 8. und 9. Jahrhunderts als ein bedeutsames Bindeglied zwischen den irisch-angelsächsischen und den mitteleuropäischen Sammelbecken der alten lateinischen, sei es heidnischen, sei es christlichen Literatur ansprechen.
Paul Lehmann (München). |
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